Polen/Tchechien
Schlaflos nachts von Krakau nach nach Prag
Von den Tücken des allzu genauen Planens vorab...
von Magdalena Bosak und Jörg Schwarz
Erschienen am 04.09.2004 im Reise Journal - dem Reisemagazin der WAZ-Mediengruppe Der Westen
Dobre Dien.
Es ist uns sehr schwer gefallen uns von Kraków (Krakau) zu verabschieden, denn diese wunderbare Stadt hat es uns wirklich angetan. Es sind nicht nur die vollständig erhaltene Architektur dieser kompakten alten Stadt und das Flair, welches das alte Gemäuer samt seiner stadtplanerischen Gesamtanlage verströmen, selten haben wir so urgemütliche, kreative und abgefahrene Keller- und Hinterhof-Kneipen, Cafés und Restaurants gesehen, wie hier. Man kann schon sagen, dass Krakau eine unserer absoluten Lieblingsstädte geworden ist - vor Barcelona, London oder Paris. Wer da also nicht hinfährt, ist selbst schuld. Nochmal Dank an unsere private Stadtführerin Junona!
Mit einem weinenden Auge und der Vorfreude auf Prag haben wir uns auf die Weiterreise gemacht. Alles hätte eigentlich schön einfach sein können: Zug nehmen, im Liegewagen schlafen, am nächsten Morgen: Prag! Hätte...
Pedantisch wie wir nun mal sind, hatten wir schon im Vorfeld - noch von Deutschland aus - eine Reiseroute samt Zeitplan und Zugverbindungen im Internet recherchiert. Wir wollten doch gut vorbereitet sein... Es war unser Plan, einen Nachtzug in Kattowice (Kattowitz), nicht weit von Krakau entfernt, zu nehmen. Mit unserem Ausdruck waren wir in Krakau zum Schalter am Bahnhof gegangen und haben für unsere Reise die Liegewagenplätze reservieren wollen. Alles hat auch - scheinbar jedenfalls - wunderbar geklappt, es lief wie am Schnürchen. Entsprechend unserer Reisepläne sind wir kurz vor Mitternacht mit dem Bus nach Kattowice gefahren, wo wir in den Zug nach Praha (Prag) hätten einsteigen wollen. Der Zug kam auch pünktlich an, wir wollten einsteigen - aber Moment: Wo bitte schön ist denn unser Wagen, in dem wir die Liegen gebucht hatten? "Das sind ja völlig andere Nummern!"
Um es kurz zu machen: Unser Wagen war nirgendwo! Jedenfalls nirgendwo in Kattowice! Dieser Zug hatte für uns keinerlei Plätze und man war auch nicht gewillt uns in den Zug rein zulassen, geschweige denn uns mitzunehmen. Wir standen etwas konsterniert mitten auf dem verlassenen Bahnsteig - es war Nacht - und wir etwas verwirrt.
Was also war passiert? Die gute Frau am Reservierungsschalter der Bahn hatte es besonders gut mit uns gemeint und einfach eine andere Verbindung reserviert. Zugegeben: Diese Verbindung war tatsächlich besser als die von uns recherchierte, es war eine Verbindung direkt von Krakau aus, ohne Umsteigen in Kattowice und zeitlich fast identisch zu der von uns geplanten Route. Aber, vielleicht hätte sie kurz darauf hinweisen können, dass sie uns eine abweichende Verbindung verkauft hat...?! Und natürlich: Wir hätten die Reservierung auch mal gegenchecken können... Haben wir nicht! Wir hatten uns also blind verlassen und waren eindeutig zur falschen Zeit am falschen Ort! Derweil war unser eigentlicher Zug bereits in Krakau abgefahren...
Doch wir hatten Glück im Unglück! Wie schon in der vergangenen Woche berichtet, hat es die polnische Bahn auch diesesmal geschafft, uns ordentlich zu verblüffen. Die haben sich derart reingehängt, dass wir unseren Zug tatsächlich noch erwischen konnten... Ein paar Telefonate hier, ein Anruf per Funk dort und siehe da: Wir haben den verdammten Zug noch rechtzeitg erreicht... Uns zuliebe haben die einfach mal einen internationalen Zug einige Minuten warten lassen... In Deutschland - das behaupten wir jetzt einfach mal - wäre das undenkbar gewesen!
Das örtliche Personal hat uns rasend schnell eine Verbindung zu irgendeinem polnischen Provinzbahnhof im Osten des Landes herausgesucht. "Hier könnte es klappen, den Zug nach Prag noch abzufangen". Verpassen des Zuges hätte bedeutet, mitten in der Nacht in der polnischen Pampa zu stehen - ob es da Hotels oder ähnliches gegeben hätte, weiß niemand, wir konnten nicht mal den uns völlig unbekannten Ortsnamen merken. Das Risiko war also immens, es ging um Minuten, die Wahrscheinlichkeit war gering... Aber welche Alternative hätten wir schon gehabt - also auf!
Wer jetzt denkt, das es das schon war, der irrt. Abgekämpft und gestresst, dafür aber freudestrahlend, sind wir mit Sack und Pack zu unserem Wagen gehechelt. Schnell die Tür öffnen, rein und los... Aber, was ist das: Die Tür klemmt... Nein: Sie ist verschlossen! "Hallo?!!!" Die Tür ist zu! Der verantwortliche Zugbegleiter lehnte sich aus dem Fenster und gab uns zu verstehen, dass für uns hier kein Platz sei. Wer wir sind, was wir uns einbilden und was das überhaupt solle? Hier sei ja gar kein regulärer Halt usw. Uns reicht's! Jetzt sind wir auch ein bisschen sauer... Wir liefen zu einem anderen Wagen, dort waren die Türen zu öffnen und schlugen uns zu unserem Wagen durch. Hier kriegt uns jedenfalls keiner mehr raus! Auch unser Zugbegleiter hat wegen derlei Dreistigkeit dieser deutschen Querulanten den Hass in den Augen! Er stellt sich uns in den Weg und wiederholt seine Tiraden. Wir verstehen zum Glück keine Details, wohl aber die Intention!
Wir kommen ins Diskutieren: Was denn das Problem sei? Ob wir unsere reservierten Liegen nun hier oder in Krakau in Beschlag nehmen, macht doch keinen Unterschied! Reserviert sind sie schließlich und zwar für uns! Was regt der sich so auf? Nach und nach dämmert es uns schließlich: Unsere reservierten Liegen sind längst - unter der Hand - an andere Passagiere weiterverkauft. Na toll - und jetzt?
Wir werben ein bisschen um Verständnis, fahren uns selbst etwas herunter. Plötzlich ein erster Schimmer von Problemlösung: "Moment! Ich komme gleich wieder..." Zu guter Letzt haben wir ein anderes Abteil bekommen - sogar völlig für uns allein... Was den Zugbegleiter angeht: Der war eigentlich ein total netter Kerl. Nachdem wir unser Quartier bezogen hatten und versorgt waren, kam er mit einem Versöhnungsgetränk zu uns. Wir stießen an und damit war der Spuk auch vorbei. Am nächsten Morgen in Prag hat er nur uns persönlich mit einem versöhnlichen Lächeln die Hand entgegengestreckt! "Dowidzenia!" - Freunde für's Leben...
Da waren wir also nun in Prag! Und was sollen wir sagen: Auch das ist eine Stadtperle, wie man es sich wünscht. Schon auf der Fahrt zu unserem Hotel erheischen wir all die wunderbaren Jugendstilhäuser, sehen wir komplett erhaltene Art Nouveau-Ensembles. Die Stadt insgesamt ist ein Kunstwerk. Im Vergleich zu Krakau wirkt hier alles eine Nummer größer, dass die hier veranschlagten vier Tage für eine adäquate Besichtigung ausreichen, scheint uns unmöglich.
Zunächst lassen wir uns einfach treiben und testen ein paar Cafés. Als Kunstinteressierte ärgern wir uns über all die verschlossenen Kirchen der Stadt. Vieles hier ist preislich deutlich teurer als in Polen, vieles hier ist bereits deutlich touristischer. Der Kontrast, so kommt es uns zumindest vor, könnte kaum größer sein. Wir geraten hier uns da in regelrechte Touristenströme, die einen mitreißen, die einen drücken und drängeln, die uns nach kurzer Zeit ziemlich nerven...
Wir orientieren uns also etwas abseits der großen Sehenswürdigkeiten und verlieben uns in die verspielten Architekturdetails an unzähligen Häuserfassaden, in die versteckten Hinterhöfe und all die Kühe in der Stadt! Kühe? Ja, ja, Prag ist voller Kühe dieser Tage... Im Rahmen eines Kunstprojekts wurden weit mehr als 200 Kuhmodelle kunstvoll verziert und in der Stadt verteilt, jede für sich ein kleines Kunstwerk.
Den zweiten Tag widmen wir der sog. Kleinseite, also der anderen Seite der Stadt, getrennt durch die Moldau, thront dort die Prager Burg, eines der größten geschlossenen Burgareale Europas, Sitz der früheren Böhmischen Könige. Über die Karlsbrücke ging es hinüber, durch das wundervolle Viertel hindurch bis nach oben auf den Berg Hradschin. Das rauf und runter geht hier ganz schön in die Beine. Ein ganzer Tag für die Burg reicht im Grunde nicht aus, es gibt viel zu sehen hier. Uns faszinieren vor allem der Dom und die Aussicht vom Südturm auf die Stadt samt Moldau.
Es folgen die Besichtigung der Josefs- und der Neustadt. Natürlich schaffen wir nur wenige Sehenswürdigkeiten der Stadt... Ein wenig genießen wir auch das Leben, sitzen hier und da auf Plätzen und speisen böhmische Spezialitäten, beobachten die Menschen und fragen uns, wie es wohl wäre, ein Weile hier zu leben. Prag jedenfalls ist eine spannende Stadt. Wenn wir nur nicht morgen schon in die Slowakei aufbrechen müssten... Bei aller Wehmut die wir verspüren, jetzt, da wir gerade in der Stadt angekommen sind: Ein bisschen kribbelt es auch schon in Vorfreude auf den Geheimtip unserer Tour: Bratislava (Preßburg). Wir sind gespannt. Wir beschließen es dort ein wenig ruhiger angehen zu lassen, denn wir merken jetzt: Eine InterRail-Tour kann doch ganz schön anstrengend sein. Gut das Bratislava der Ruf einer etwas relaxteren Stadt vorauseilt...
Dovidenia! Magdalena und Jörg