Slowakei/Ungarn
Schlafen bei Lenin - Kaffee mit Sisi
Überraschung in Budapest: Traum-Bahnhof à la Monsieur Eiffel
von Magdalena Bosak und Jörg Schwarz
Erschienen am 11.09.2004 im Reise Journal - dem Reisemagazin der WAZ-Mediengruppe Der Westen
Nach einem kurzen Zwischenstopp in Bratislava (Pressburg), der slowakischen Hauptstadt an der Donau, sind wir nun in Budapest angekommen.
Jó napot!
Sehr gespannt waren wir auf Bratislava, dem Geheimtip unter Osteuropas Hauptstädten. Noch vor unserer Reise gingen die Bewertungen und Meinungen zu dieser Stadt ziemlich auseinander. "Ruhig sei es dort, regelrecht verschlafen. Und - nebenbei - ganz sicher nichts für euch!", hieß es einerseits und wir haben uns gefragt, was das denn wohl heißen sollte. "Die schönste und aufregendste Stadt im Osten, unverdorben und spannend! Unbedingt hinfahren!" hieß es andererseits. Diese Gegensätze haben uns neugierig werden lassen und so haben wir Bratislava natürlich nicht ausfallen lassen...
Nach ein paar wenigen Tagen können wir nun feststellen, dass beides irgendwie stimmt, dass wir sehr wohl dorthin gehören und uns sehr gut in Bratislava gefühlt haben. Die Stadt ist tatsächlich sehr viel beschaulicher und idyllischer als Prag oder Budapest - sie ist ja auch kleiner -, aber sie ist gleichwohl ausgesprochen schön und interessant. Für uns eine nette Abwechslung zum Trubel der großen Städte und trotzdem überhaupt nicht langweilig. Tagsüber dämmerte die Stadt bei herrlichem Sonnenschein meist vor sich hin, nur wenige Menschen haben sich in ihren alten Gassen verloren. Abends dagegen - und das hat uns dann schon etwas überrascht - erwacht die Stadt, wimmelt es vor Menschen in den urigen Kellerkneipen und Restaurants. Vor allem viele, viele junge Leute tummeln sich dann und genießen das gute slowakische Bier.
Doch bevor wir in einer solchen Kellerkneipe unseren ersten Abend gekrönt haben, waren erstmal Zimmersuche angesagt: Anders als in Prag oder Budapest, wo uns schon an den Bahnhöfen die ersten Zimmer nahegelegt und angeboten worden sind, haben wir uns in Bratislava - wo wir keine Vorausbuchung vorgenommen hatten - etwas schwerer getan. Leider hatten wir für Bratislava keinen Reiseführer an Bord und so schien das Schild, das wir nach einiger Zeit in der Stadt entdeckt hatten - "Downtown Backpacker's Hostel" - eine günstige und gute Gelegenheit für unser knappes Reisebudget zu sein. Also rein und schauen, was zu machen ist...
Es gab zwar keine Doppelzimmer mehr, die Stadt schien insgesamt ziemlich voll zu sein, aber ein Mehrbettzimmer tut es zur Not ja auch... Vier Etagenbetten in einem relativ kleinen Raum! Irgendwie erinnerte uns das mächtig an unsere Liegewagenerfahrungen in den Nachtzügen, in denen wir eher wenig geschlafen hatten... Aber was tun wir nicht alles für die Leser des Reise Journal... Das nächtliche Geschnarche und der dezente Bergkäsegeruch der vom Nachbarbett ausging, ging uns dann aber doch ziemlich auf den Senkel - trotz Ohrenstöpseln war die Geräuschkulisse fast unerträglich. Nein, wie schon unsere früheren Erfahrungen auf Reisen gezeigt haben: Wir benötigen schon etwas mehr Intimität für uns, Mehrbettzimmer sollen andere machen! Wir hören uns lieber selber schnarchen! Gleichwohl hat uns das Hostel insgesamt super gefallen, vor allem die vergoldete Leninbüste samt Cowboyhut im Gemeinschaftsbereich haben es uns angetan - Geschichte wird hier völlig neu interpretiert...
Nach dem ersten herrlichen Sonnentag in der Stadt hat uns der erste echte Regentag dann ins Museum verschlagen: Die alte Stadthalle und die Geschichte Bratislavas machen einen durch und durch verregneten Tag halbwegs erträglich... Was für uns in der Slowakei sehr auffällig war ist die Tatsache, dass hier nur sehr wenige Menschen Englisch sprechen oder sprechen wollen. Das Museumspersonal, die Leute in unserem Hostel oder sogar der Kellner in unserer Lieblingskneipe sprachen stattdessen besser Deutsch! In einem Internet-Café trafen wir einen Straßenmusiker, der einige Jahre in Deutschland durch die Lande gezogen ist und dort ebenfalls einige Brocken unserer Sprache aufgegabelt hatte - wir hoffen, dass unsere Landsleute ihm gegenüber nur halb so nett waren, wie er zu uns!
Auf dem kurzen Weg in Ungarns Hauptstadt haben wir einen Bummelzug genommen. Das erschien uns spannender, weil man da mehr mit den Menschen in Berührung kommt, und so konnten wir dann auch endlich mal etwas mehr von der Landschaft erhaschen. Wir sahen Berge satt, zunächst wenige Menschen und in einem Nest in Ungarn stürmten Fliegende Händler den Waggon und ließen die einzigen Touristen in dem Zug - uns - nicht mehr in Ruhe... Von ganz ganz schlechten Bildern über billigen Familienschmuck bis hin zu gefährlich schnappenden Klappmessern, die vor unseren Augen auf- und zugeschlagen wurden, gab es ein breites Sortiment an Waren zu besehen, das mit einigem Druck auf die Touristen zu Geld gemacht werden sollte. Das wirkte zwischendurch schon ein wenig bedrohlich, hatte sich aber an der nächsten Station von selbst erledigt, als der Spuk genauso schnell verschwand, wie er gekommen war...
Haben wir uns in der vergangenen Woche noch über mangelnde Ästhetik in Bahnhöfen beklagt, müssen wir das für Budapest eindeutig korrigieren. Wir sind in den wunderschönen, vom Artitekturbüro Gustave Eiffels gebauten West-Bahnhof eingefahren und stellen fest: Bahnhof geht auch anders! Ein schönes Gebäude! Und überhaupt reiht sich auch Budapest in die Kette städtischer Perlen Osteuropas ein... Ein Sahestückchen! Und so langsam gehen uns die Lobeshymnen aus. Ungarns Hauptstadt ist auf den ersten Blick mit Prag vergleichbar. Beide sind durch den Fluß in ihrer Mitte zweigeteilt, es erhebt sich eine Burg auf einem Hügel, die Altstadt und die Brücken... Vom Charakter her unterscheiden sie sich jedoch. Budapest wirkt für uns irgendwie normaler, wahrhaftiger, weniger postkartenidyllisch. Es gibt hier nicht diese unerträglichen Touristenautobahnen, die Menschen die hier leben vermischen sich viel stärker mit den Besuchern, die Stadt ist für die Einwohner genauso da, wie für den Gast. Letzter wird geduldet, er ist nicht der Mittelpunkt der Stadt - uns ist das sehr sympathisch!
Gewohnt hatten wir in einem Hostel direkt am sog. Stadtwäldchen, der grünen Lunge Budapests. Diese Stadt hat uns neben allem anderen besonders kulinarisch überzeugt - noch heute läuft uns das Wasser im Mund zusammen... Diese fantastischen fruchtig-süßen Soßen zum Fleisch. Und diese Knoblauchcremesuppe mit gerösteten Semmelstückchen... Allein das bestellen hat hier seine Tücken. Oder versuchen Sie doch mal diese Suppe zu bestellen: "Fokhagymarkrémleves pirított zsmlekockakkal"! Na hoffentlich bringt man Ihnen auch, was Sie bestellt zu haben glauben...
Nach unserem Besichtigungsprogramm (Pflicht waren für uns Buda und das Burgviertel, Pest und das Parlament, Prachtboulevard mit Oper und der Heldenplatz) stand für uns vor allem das Szépmüvészti-Museum (Museum für Bildende Künste) auf dem Plan. Trotz des herrlichen Sommerwetters haben wir hier viel Zeit verbracht, weil es ganz sicher eines der großartigsten Museen dieser Art in Europa ist, das wir kennen. Am Heldenplatz gelegen lädt es zudem dazu ein, einen guten Kaffee unter den Augen Ihrer Majestät - der Kaiserin Sisi - zu trinken. Das kleine improvisierte Café unter dem Säulenvordach des Museums ist ein fantastischer Platz zum Verweilen.
Überhaupt begegnet dem Besucher in Budapest diese Kaiserin Sisi überall: Wer immer schon mal in der Theaterloge dieser früheren Regentin sitzen wollte, dem sei - keineswegs nur deshalb - die Besichtigung des prächtigen Opernhauses sehr ans Herz gelegt. Auch das Parlamentsgebäude an der Donau ist angesichts der architektonischen Pracht und der Geschichtsträchtigkeit dieses Ortes sehr empfehlenswert. Die teils weit entfernt gelegenen Sehenswürdigkeiten der Stadt lassen sich übrigens mit der Metro gut erschließen. Was anfangs zunächst kompliziert erscheinen mag, hat man schnell raus, dann ist es praktisch, schnell und günstig.
Wir sehen uns dann nächste Woche zum letzten Mal: In Venezia (Venedig)! Das ist zwar nicht Osteuropa, erschien uns aber unsere Reise dennoch ganz gut abzurunden...
Viszontlátasra. Magdalena und Jörg