Unsere Liebeserklärung an den Spreewald im Sommer!
von Jörg Schwarz, Berlin den 20.08.2022
Unser Kajak gleitet ruhig und sanft in dem schmalen Bett des seichten Kanals dahin. Wir paddeln im angenehmen Schatten eines hohen Waldes, der stets durch Strahlen und Blitzen des Sonnenlichts durch das Blätterdach erhellt und auf dem Wasser durch Lichtreflexe und Funkeln verdrängt wird. Ein Blick nach oben zeigt einen strahlend blauen Himmel und ein leicht wogendes und doch offenes Blätterdach von überwiegend Erlen, Birken und Eschen. Mit Brombeersträuchern und anderen Laub- und Weidengebüschen üppig grün bewachsene Ufer ziehen zu beiden Seiten anmutig an uns vorbei und sind stets auf Augenhöhe. Im Wasser biegt sich Flussgras im kaum merklichen Fließen des Wassers unter der Oberfläche in der Fahrtrichtung unseres Boots. Das Wasser auf dem es dahin gleitet ist etwas trübe hier und im Schatten dunkel, wirkt aber keineswegs schmutzig oder unrein - fällt Sonnenlicht in es hinein, kann man kleinste Sedimente im Wasser schwimmen sehen oder bis auf veralgte Wurzeln oder Steine am Ufer blicken. Kleine Fische tummeln sich. Die Atmosphäre, die sich uns hier gerade bietet, wirkt einzigartig verträumt. Lediglich das Rascheln des Laubs und das leichte Gluckern, das unsere Paddel erzeugen, sind zu hören. Man findet sich in einer verzauberten Landschaft.
Während ich angesichts dieser betörend-idyllischen Kulisse ganz und gar in der geistigen Interaktion zwischen mir, meiner Gedankenwelt und der Umgebung bin, holt mich ein durch Magdas Umsetz-Bewegung - vorn im Boot - begleitetes Quietschen und Schwanken wieder in die Realität zurück. Die jetzt entstehende Abdrift unseres Bugs nach Links gleiche ich durch mein Doppelpaddel rechts wieder aus und gebe wieder etwas an Fahrt hinzu... Auch Magda fügt sich jetzt rhythmisch in meine Bewegung ein, wir sind inzwischen gut eingespielt und nehmen etwas an Fahrt auf... Aller Anstrengung und der phasenweise schweißtreibenden Arm- und Oberkörperarbeit zum Trotz liebe ich die beinahe tranceartigen Paddelschwünge auf ausgedehnten Flusstouren seit einigen Jahren sehr. Wenn das zudem in solch wundervoller Umgebung geschieht und man bereits ein wenig vom Alltagsstress entfernt ist, merkt man in der Regel erst am Ende des Tages, wie mühsam solche Touren eben auch sind, was man an Arbeit in die Fortbewegung auf dem Fließ investiert hat... Das gilt erst recht an Tagen wie diesen: Es ist unbeschreiblich heiß heute, Temperaturen von jenseits der 30 Grad Celsius begleiten uns dieser Tage... Und doch: Wo ließe es sich besser aushalten als hier im Wald und auf der Ebene der Spreefließe, in deren Schatten sich die Luft doch merklich kühler und angenehmer zeigt, als außerhalb des Waldes. Wer schwitzt, kann sich leicht im kühlen Nass der Spreearme abkühlen und den leichten Wind, den wir heute herzlich willkommen heißen, genießen...
Wir sind mal wieder unterwegs im Biosphärenreservat Spreewald, keine 1,5 Stunden von Berlin entfernt. Seit einigen Jahren schon kommen wir - im steten Wechsel mit Ostsee und Mecklenburger Seenplatte - für Kurzurlaube und Entspannungstrips hierher und lassen uns von der fantastischen Landschaft ein wenig Energie zurückgeben, die wir im Alltag so dringend brauchen. Seit Jahren sind wir von der Region hingerissen - eine Liebe auf den ersten Blick - wenn auch eine späte, denn viele Jahre lang haben wir die Region in Unkenntnis etwas abschätzig links liegen gelassen... Und nun also ist der Moment gekommen, da wir dieser Region - auch per Reisebericht - endlich unsere Hochachtung zollen wollen. Sie hat es wahrlich verdient!
Wir unternehmen heute eine Kajaktour in dem nördlich von Lübbenau und Burg gelegenen Hochwald bei Alt Zauche - Innerer Oberspreewald -, den uns unser Gastgeber, der über airbnb gebuchten Unterkunft - was sage ich: Ein ganzes Haus samt wunderbarem Garten haben wir für uns allein - empfohlen hat. Hier paddeln wir - Großstadtmenschen aus Berlin - nun zum ersten Mal in unser Hochwald-Glück hinein und haben den ausgedehnten Wald mit seinen Fließen gleich in unser Herz geschlossen. Es ist die letzte Woche der Ferien in Brandenburg/Berlin, mitten in der Woche, nur ein paar andere Boote also tummeln und verlieren sich mit uns in dem Waldgebiet, zu dem bereits alles gesagt ist: Er ist ein Traum für einen Ausflug mit dem Boot, hinreißend und zauberhaft...
Um hier fahren zu können, sind wir mit dem Rad heute früh von Burg aus - meist unser Standort und Ausgangspunkt für Aktivitäten in der Region - nach Burg Kauper zum Bootshaus Rehnus aufgebrochen, um uns vor Ort ein Kajak zu leihen. Der gesamte Weg vom Hafen in Burg - auf der Hauptspree bis Leipe und über den Leiper Graben in den Hochwald erschien uns, hin und zurück, dann doch etwas zu ambitioniert... Ausgestattet mit dem leichtesten Zweier-Kajak dieser Tage - die Kosten belaufen sich für die gut 4 - 5 Stunden auf Wasser, die wir uns meistens gönnen, je nach Bootsvermietung zwischen 30 - 40 € -, sind wir also nun zunächst, vorbei an einzelnen Häusern und Grundstücken der hiesigen Siedlung, über den Rohr-Kanal, den wie an der Schnur gezogenen Burg-Lübbener-Kanal sowie den kurvigen Leiper Graben zu einem der schönsten Biergärten und Ausflugslokale der Region gepaddelt: Der Pohlenz-Schänke!
Das urige Gasthaus, das man auch von Innen unbedingt gesehen haben muss, gehört zu den ältesten Gasthäusern des Spreewalds und ist eine wirkliche Attraktion. Direkt am Leiper Graben gelegen bietet es einen wundervollen und einladenden Biergarten unter hohen, alten Bäumen. Er eignet sich hervorragend für einen ersten Stopp - schließlich hatten wir noch nicht gegessen und haben eine aufreibende Bootstour vor uns... Personalmangel in der Gastronomie macht auch hier Selbstbestellung/-bedienung nötig, gerät aber eher zum Geschenk: Beim betreten der alten Hallen des Hauses nämlich stehen wir in einer urigen Scheunenschankgaststätte mit altertümlichen Fresken an der scheunenartigen Dachkonstruktion, das Interieur wirkt uralt aber charmant bäuerlich und die Kohlroulade des Hauses steht hinter der von Mama nur wenig zurück... Dieses Gasthaus steht neben vielen anderen auch für den Spreewald als Ganzes: Es gibt in der Gegend wirklich viele schöne Gasthäuser!
Mit dem Kajak sind wir bisher zumeist zwischen Burg und Leipe unterwegs gewesen und waren auch auf diesen Fließen beinahe restlos zufrieden. Ob man nun den Zugang über den Hafen in Burg nimmt und also auf der Hauptspree fährt, die in einigen wilden und naturschönen Kurven und Wendungen einen weiten Bogen nach Leipe zieht und sich dort um unzählige Inselchen der hiesigen Sorbensiedlung windet oder den Weg über den schönen Südumfluter nimmt, ist natürlich Geschmackssache... Wir befahren während der zwei, drei Bootstage auf den Fließen zumeist beide - nach einander oder in Kombination, was jederzeit möglich ist... Nur am Wochenende sollte man diese Fließe meiden, denn da wird es schon mal voll auf dem Wasser, insbesondere rund um die Bootsverleiher trifft man jetzt auf überwiegend ungeübte und gelegentlich unbeholfene Bootsführer*innen... Das kann schon mal nerven! Sonst ist man zumeist schnell an den Anfängern und Einmalpaddlern vorbei und je weiter man sich von den einfachen und kurzen Hauptrouten entfernt - auf dem Südumfluter gilt das etwa ab dem Ostgraben -, desto einsamer paddelt man in der Natur umher.
Neben der traumhaften Landschaft passiert man während eines Ausflugs auf dem Boot weidende Kühe und Pferde, passiert man unterschiedliche Schleusen, die man durch Muskelkraft und Technik entweder selbst zu steuern hat oder die einheimische Kinder gegen ein kleines Entgelt gern für die Bootsleute bedienen. Wir sind bereits neben ausgewachsenen Ringelnattern im Wasser gepaddelt und haben immer wieder in ruhigeren Fließen Nutrias - große aus Südamerika eingeschleppte, aber possierliche Nager - an den Ufern beobachten können. Echte Bieber waren bisher Fehlanzeige. Ab und an begegnet man in den stadtnahen Fließen den traditionellen Spreewald-Kähnen, auf denen sich Touristen stakend durch das nahegelegene Kanalsystem schippern lassen - freilich bei einem kühlen Bier und Spreewaldgurken...
Für uns aber ist das bloße Treiben und geruhsame Paddeln in der Natur bereits Höhepunkt genug... Mehr braucht es eigentlich nicht!
Das gilt im Spreewald aber nicht nur auf dem Wasser, sondern auch jederzeit per Rad... Die Region lässt sich hervorragend mit dem Fahrrad befahren und zeigt dann weitere Seiten ihrer Schönheit. Heute sind wir mit geliehenen Rädern zwischen Burg, Raddusch und Burg-Kauper unterwegs und befahren zahlreiche gut beschilderte Fahrradstraßen in beinahe völliger Einsamkeit... Entlang des Südumfluters verlassen wir Burg und fahren - zumeist im Schatten der Bäume - an langen Alleen entlang, beobachten aus einer völlig anderen Perspektive das Treiben auf den Fließen und queren zahllose Brückchen, unter denen wir sonst zumeist im Boot navigieren.
Entlang der überwiegend landwirtschaftlich genutzten Flächen südlich des Biosphärenreservats wähnen wir uns nicht selten im Alten Land, passieren wir unzählige, prall gefüllte alte Obstbäume - Äpfel, Birnen, Zwetschgen... Nichts ist hier genormt, es finden sich zahlreiche alte Sorten und aufgrund des Alters mancher Bäume oft kleine und kleinste Früchte, die dieser Tage leider zumeist noch unreif sind... Die Vielzahl an Obstbäumen hier ist wirklich auffällig, sie schmücken die Landschaft und bieten gemeinsam mit den vielen Natur-Wiesen Insekten reichlich Lebensraum. Immer wieder begegnen wir von Angesicht zu Angesicht Störchen auf feuchten Flächen oder in den zahlreichen Storchennestern über unseren Köpfen. Sie klappern nicht nur sprichwörtlich mit Ihren Schnäbeln und sind zumeist auf der Suche nach Fröschen und anderem Getier... Bis auf wenige Meter lassen sie uns ohne Sorge an sich heran, nirgendwo sonst haben wir diese großartigen Tiere aus solcher Nähe und in dieser Zahl studieren können...
Auch wenn die heutige Hitze auf dem Rad durch den Fahrtwind noch ganz erträglich ist, wollen wir mal wieder eine kleine Pause einlegen. Wir befinden uns in dem kleinen charmanten brandenburgischen Dörfchen Raddusch, das wir schon mehrfach aufgrund seines wundervollen Naturhafens und des schönen Biergartens besucht haben... Raddusch selbst - am südlichen Rande des noch befahrbaren Kanalsystems des Spreewalds gelegen - bietet zahlreiche Unterkünfte - nette Pensionen, Hotels oder Gästezimmer - und viel viel Ruhe... Und ein gutes Restaurant, in dem wir jetzt u.a. ein Gurkenragout aus geschmorten grünen Gurken und Senfgurken zu uns nehmen, das mit Kokosmilch, Curry, Zwiebeln, Koriander und Ahornsirup auf Reis angemacht ist... Eine bemerkenswerte und kreative Ausgestaltung des Gurkenklassikers im Gurkenland... Schmorgurken - überhaupt Gurkengerichte aller Art bis hin zu Gurkeneis - findet man zu unserer Freude überall im Spreewald...
Nach der Stärkung machen wir noch einen Abstecher zum wundervollen Hafen in Raddusch, verweilen im kühlen Schatten zahlreicher belaubter Bäume und beobachten das Treiben, denn gerade macht sich eine Gruppe von hier aus zu einem Kahnausflug auf... Wir dagegen radeln weiter entlang der Obstbaumalleen durch das Siedlungsgebiet der niederlausitzer Sorben, die als eigenständige slawische Ethnie noch heute zahlreiche Traditionen ihrer als Minderheit in Deutschland anerkannten Volksgruppe pflegen. Vorbei an "Erste Kolonie", "Schwarze Ecke", "Wildbahnweg" oder "Erlkönigweg" landen wir am Waldschlösschen, das allerdings nicht wirklich ein Schloss ist und heute in Renovierung befindlich... Auch in der hiesigen Gastronomie haben wir schon köstlich gegessen: Schmorgurke satt, heute mit Schnitzel oder Spreewälder Quark mit Pellkartoffeln... Hier findet sich auch der Bootsverleih, von dem aus wir in den Hochspreewald aufgebrochen sind.
Zurück in Burg-Dorf - dem kleinen Kurort im Spreewald, in dem wir einst auf dem wirklich schönen Kneipp- und Erlebnis-Campingplatz direkt am Südumfluter unsere Leidenschaft für die Region entdeckt haben - widmen wir uns unserem täglichen Ritual: Eis essen bei Urban's, dem kleinen Café mit Eistheke an der Kirche, einem Familienbetrieb mit dem passenden Motto: "Nicht 'höher, schneller, weiter', sondern 'freundlich, frisch und heiter'. Wie auch immer - die Eiskreationen sind klasse - natürlich gibt es auch großartiges Gurkeneis! Täglich stehen die Menschen hier in langer Reihe an...
Wir besorgen uns noch ein paar Grillutensilien und dann ab nach Hause - dieses Jahr bei Waltraut und Hans im Nachtigallenweg, fußläufig zu allem in Burg, ruhig und angenehm. Vor allem zu ausgesprochen freundlichen Menschen hat es uns dieses Mal verschlagen, die uns während unserer Tage mit eingelegten Salzgurken und allerlei aus dem Garten verwöhnen. Wir bewohnen ein eigenes Gartenhäuschen - halb integriert in eine alte, inzwischen modernisierte Scheune, blicken in einen wundervoll gepflegten Garten mit Kürbis-, Zucchini- und diversen anderen Gartengemüsen, Obstbäumen und blühenden Pflanzen und kommen beim Flug von Fledermäusen, jetzt, in der Abenddämmerung, wunderbar runter... Unsere Terrasse liegt seit dem Nachmittag im Schatten und wir blicken in diese Gartenidylle und genießen das abendliche Grillen: Ein gutes Steak, Gurkensalat und Bier... Herz was willst du nach einem gelungenen Tag mehr...
Gerade fertig und befriedigt, geht - mutmaßlich nicht unweit von unserem Grundstück - ein überraschend heftiger und einschlagender Mega-Blitz auf das Land nieder, gefolgt von einem beeindruckenden Donnerknall... Es trifft uns unerwartet und jagt uns ein paar Schauer über den vom Paddeln geschunden Rücken. Es hatte sich zwar angekündigt, denn heute ist es schwül und unerträglich, aber jetzt kam es doch ein bisschen plötzlich... Während wir kurze Zeit später schon das Geheul der Sirenen hören - wir ziehen uns derweil nach Innen zurück - beginnt es Gott sei Dank zu regnen... Die Natur hier in der Lausitz hat es bitter nötig, Trockenheit und Wasserarmut sind auch in dieser Region dieses Jahr ein Riesenthema, weshalb in den Fließen der Gegend heuer die Schleusen geschlossen bleiben, um die Fließe weiterhin befahrbar zu halten... Auf diese Weise haben wir in der Wasserhöhe kaum Unterschiede zu früheren Jahren bemerken können. Bim Paddeln aber heißt das derzeit: Boote an den Schleusen aus dem Wasser heben und um selbige herumtragen...
Nach nur wenigen Tagen sind wir erholt und zufrieden... Mal wieder hat uns der Spreewald mit seinen Fließen, Gurken und freundlichen Menschen verzaubert. Der Spreewald ist im Sommer für uns ein echtes Ziel geworden! Und sollte es wider Erwarten mal regnen oder zu kühl sein - in Burg-Dorf steht eine annehmbare Therme samt Saunalandschaft und anderen Annehmlichkeiten zur Auswahl... Auch Museen und weitere landestypische Attraktionen warten auf Besuch - allein uns zieht es doch zumeist in die fantastische Natur...
Das alles mag kein Abenteuer sein - es ist aber ein großartiges Vergnügen für ein paar Tage am Rande Berlins...
Absolut Empfehlenswert!
Spreewald
Unterkunft
Speisen
Ab Dezember 2022 sind Spurenwechsler wieder auf Tour...
Aktivitäten
Natürlich muss man sich mindestens mit einem Kahn durch die unmittelbaren Fließe und Kanäle staken lassen, wenn nicht - unsere Empfehlung - doch ein Kajak gemietet werden sollte, mit dem man in seinem eigenen Tempo den Spreewald auf dem Wasser genießen kann...
Ebenfalls empfehlenswert ist das Erkunden der Region mit dem
Fahrrad:
Bei schlechterem Wetter oder wenn es einfach mal Entspannung und Schwitzen sein sollen empfehlen wir die Burger Spreewald-Therme.
Natürlich freuen wir uns über Fragen, Kommentare und Rückmeldungen...