Cuyo I - Mitte-West-Argentinien
Abenteuer Ruta 40 - bizarre Naturschauspiele in den Weltnaturerberegionen Talampaya und Ischigualasto (Fortsetzung 2 |
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Von Jörg Schwarz
Parque Ischigualasto
Weiterhin begleitet von einen Guide, fahren wir mit unserem eigenen Fahrzeug im kleinen Konvoi auf einem Rundparcours durch unbeschreiblich faszinierendes Terrain. Der nach einem regionalen Indianer-Häuptling benannte Park schützt ein Areal von 8000 km². Die Landschaft ist auch hier vollkommen wüstenartig und nur sehr spärlich bewachsen, außer kargen Büschen, Kakteen und Gräsern findet sich hier kaum Vegetation. Um so überraschender, dass auch hier zahlreiche große Guanaco-Herden durch den Park ziehen und offenbar genug zu fressen finden. Die nun noch höher stehende Sonne heizt die gesamte Landschaft weiter mächtig auf, unsere Ausflüge zu Fuß werden trotz der herausragenden Umgebung zur Tortur. Wir gedenken unserer Eisbox im Kofferraum, ohne die gut gekühlten Wasservorräte würden wir hier in Kürze schlapp machen.
"Die Temperaturen in der Region sind tatsächlich sehr extrem und wahnsinnig anstrengend", berichtet unser Guide, "sie schwanken zwischen -20 bis zu +45 Grad Celsius." Wir erkennen, dass diese bizarr schöne Welt im Grunde ausgesprochen lebens- oder besser: menschen-feindlich ist. Aber gerade das macht sie jetzt so faszinierend.
Wir erhalten an unserem ersten Zwischenstopp - im Schatten - zunächst eine Einführung in erdgeschichtliches Wissen und erkunden kleine Fossilien, die sich in den vielzähligen Steinschichten der vor uns liegenden Felsengruppe abzeichnen und staunen anschließend über die skurrile Erscheinung der Landschaft im so genannten Valle Pintado, auch Valle de la Luna genannt.
Auch wenn wir nie auf dem Mond waren, diese erodierten Sandsteinareale versetzen uns mit ihren orange-braunen und grauen Streifen-mustern sowie den geschwungenen Hügeln und Kegeln auf einen anderen Planeten. Wir fühlen uns in dem weiten Tal wie aus der Welt gefallen. Die vor unseren Augen flimmernde glutheiße Luft verstärkt noch den Effekt der ohnehin fremdartigen Umgebung und läßt uns ein Erlebnis der besonderen Art haben.
Natürlich leuchten die Farben morgens und abends noch stärker, verändert sich das Antlitz der Landschaft mit dem Stand der Sonne nochmal total. Es würde sich lohnen hier auch zu anderen Zeiten aufzutauchen - schon der besseren Foto-Lichtverhältnisse wegen. Andererseits möchte wir diese extreme Erfahrung, die den gesamten Körper und die Sinne an die Grenzen bringt, nicht missen. Zu dieser Tageszeit erfährt man, wie sich eine Wüste zu dieser Tageszeit eben anfühlt. "Auch sehr beeindruckend ist das Mondtal bei Vollmond. Wir bieten mittlerweile auch Full Moon-Touren an", fügt unser Guide hinzu. Ja, auch das können wir uns tatsächlich sehr gut vorstellen...
Wir laufen nun an kuriosen sphinxartigen Felsgebilden - wie der La Esfinge - vorbei, zur so genannten 'Bocciabahn'. Auf der Cancha de Boccia liegen steinerne Kugel und Bälle im Dutzend herum, gerade so, als hätte irgendwer vor ewigen Zeiten seine Bocciakugeln nach ausgiebigem Spiel einfach hier liegen lassen. Wir erfahren: "Nach wie vor ist es wissenschaftlich nicht eindeutig zu bestimmen, warum sie hier so vielzählig vorkommen und was sie so gestaltet hat. Es gibt unterschiedliche Theorien. Wahrscheinlich ist, dass Wasser sie am Boden eines früheren Sees geformt hat."
Während wir weitere Höhepunkte bestaunen, u.a das so genannte El Submarino, dessen Felsformationen aus unterschiedlichsten Perspektiven betrachtet ebenso viele unterschiedliche Assoziationen und Wahrnehmungen hervorrufen, spielt sich hinter uns im Schatten ein ganz anderes Schauspiel ab: Wir werden Zeugen eines indianischen Rituals.
Wir werden durch eine erregte Diskussion zwischen unserem Guide und den drei mit uns im Konvoi reisenden Indio-Frauen aufmerksam. Nach einigem hin und her erlaubt der Führer, was eigentlich streng verboten ist: Die weiß drapierten Frauen dürfen 'ausnahmsweise' ein kleines Feuer unter einem Felsvorsprung machen. Man bittet uns das Ritual nicht durch Fotografieren zu stören. Wir halten uns daran, ziehen uns zurück und überlassen die drei, die im Feuer offenbar Asche oder einige andere pulverartige Substanzen verbrennen, sich selbst. Um welche Zeremonie es sich handelt - vielleicht ein Toten- oder Ahnenritual - erfahren wir nicht. Die drei Frauen singen in der sengenden Hitze indianische Lieder, opfern den kleinen züngelnden Flammen und scheinen dabei zunehmend in ihrer eigenen Welt zu sein. Die fremdartigen, geheimnisvollen und traurig klingenden Melodien und Stimmen der Frauen markieren für uns kombiniert mit dieser skurrilen Umgebung ein weiteres unvergessliches Erlebnis.
Auf dem Weg zurück zu unserem Wagen - unser Fahrer kommt uns schon mit eisgekühlten Flaschen entgegen - gerät nun zunehmend die rote Wand am anderen Ende des Parks in unser Bewußtsein. Die gesamte Zeit schon war sie stets in unserem Rücken als Ankündigung eines noch bevorstehenden Faszinosums präsent, doch nun laufen und fahren wir schließlich direkt darauf zu, nass geschwitzt aber glücklich.
Nun werden wir der unfassbaren Dimension dieser schroffen roten Steilwände erst so richtig gewahr. Wir sind ergriffen angesichts des vor uns liegenden Bereichs und lassen die Kamera nicht mehr schweigen. Motive gibt es hier genug. El Hongo, der Pilz, zum Beispiel, zeichnet sich wunderbar vor der Kulisse der roten Wand ab und wir bedauern nun doch, dass wir hier nicht zu anderen Fotozeiten angereist sind. Wie wunderbar muss dieser Felsen in der Abendsonne strahlen?!
Es scheint als habe sich die Erde vor uns plötzlich um einige hundert Meter emporgehoben, um sich uns in den Weg zu stellen. Dabei ist es genau andersherum: Wir stehen in der Senke. Wo wir stehen, da sind die Erdmaterialien durch eine offenbar instabilere Zusammensetzung des Bodens schneller von den Elementen ausgewaschen und abgebaut worden, als anderswo. Wir stehen auf gelblich-weißem Grund, die Wand hebt sich davon strahlend rot ab. Was für eine Kulisse!
Während wir den Park verlassen - nicht ohne abschließend noch einem der buntesten Steinensembles dieser Gegend und einem offenbar sehr anhänglichen kleinen Wüstenfuchs zu begegnen - freuen wir uns schon auf die Rückreise durch die Cuesta de Miranda. Die Ruta 40 hat es bereits auf unseren ersten Kilometern sehr gut mit uns gemeint...
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