Beitrag Nr. 16
Moin Moin aus Popayán!
Wir grüßen Euch heute – wie angekündigt – aus Kolumbiens Süden.
Kolumbien? War das nicht vor einiger Zeit ein noch ein no go-Besuchsziel? Ich erinnere mich an Argentinien vor drei Jahren, da sah ich einen ziemlich extremen Spielfilm, der in Kolumbien spielte und vor Drogen, Gewalt und fiesen Menschen nur so strotzte… Das war das Bild, das man von Kolumbien hatte - und das schon damals nur bedingt stimmte. Gleichwohl war nicht daran zu denken, da in Kürze zu reisen…
Natürlich ist heute in dem Land auch nicht alles gut. Weiterhin gibt es – wenigstens in einigen Gebieten - versprengte Paramilitärs und Guerillagruppen, noch immer existieren Gewalt, soziale und politische Probleme und viel zu viele Waffen im Land. Aber – und das ist die gute Nachricht: Seit jetzt mehreren Jahren ist ein Friedensprojekt in Gang, der zu dem gerade einjährigen Friedensvertrag des Staates mit den FARC-Rebellen geführt hat – eine Gruppe, die sich ursprünglich gegen Unterdrückung und Staatsterror gewandt hat, dann aber zunehmend selbst ins Verbrechen abgerutscht ist. Inzwischen hat der Staatspräsident für diesen Prozess den Friedensnobelpreis erhalten…
Seit einiger Zeit nun können Touristen wieder in das Land reisen, weite Teile Kolumbiens gelten derzeit als sicher und gut zu bereisen. Und in der Tat: Wir sind seit gut einer Woche hier unterwegs – nach Bogotá nun im Süden des Landes – und freuen uns für Kolumbien… Das Land atmet gerade etwas auf, die Hoffnungen sind mit Händen greifbar und die Menschen wissen, dass die Lage lange nicht so ruhig war, wie zurzeit. Wir spüren aber auch die Skepsis und die Sorge, dass es wieder einmal nicht gelingen könnte, die grundsätzlichen Probleme des Landes anzugehen… Nicht alles entwickelt sich in die richtige Richtung…
Wir wollen sehen, ob es uns gelingt, über die Monate, die wir hier reisen werden, einen guten Eindruck von Kolumbien zu geben – wie es sich als Reiseland darstellt, wie es als Gesellschaft funktioniert. Letztlich möchten wir in das Land eintauchen und die Menschen verstehen, ihre Geschichte begreifen und seine kulturellen und natürlichen Schätze heben…
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Vom slow-travel zum Zwischensprint
Er ist endlich da! Unser Freund Michael – auf dessen Ankunft wir schon seit langem warten und auf den wir uns malle gefreut haben – ist uns einen Tag später nach Bogotá gefolgt. Schon vor Monaten haben wir das so geplant, dass wir die kommenden drei Wochen gemeinsam durch das Land reisen. Die Wiedersehensfreude war riesig, schön, dass die Welt so nah zusammengerückt ist und man ein Treffen in Südamerika heute problemlos hinbekommt…
Natürlich wird sich das auswirken… Von unserem liebgewonnenen Müßiggang-Tempo, dem langwierigen Verweilen an einem Ort und dem ‚komm-ich heut nicht, komm ich morgen‘-Feeling werden wir uns kurzzeitig verabschieden. Mann, das ist hart! Schon jetzt gerät das ‚Tag für Tag-Planen‘ zur Tortur, müssen schmerzliche Kompromisse her und wünschten wir uns alle mehr gemeinsame Tage zum Chillen… Aber das ist erstmal passé. Nach (nicht mal) zwei Tagen Bogotá, haben wir uns auf eine ungeliebte 11-Stunden-Nachtfahrt in den Süden begeben, sind ziemlich müde in die Landschaft San Augustins hineingewandert, ehe wir uns in starkem Regen und auf der schlechtesten Straße ûnseres Lebens zwischen Vulkanen und ziemlich viel Dschungel in Richtung Popayán haben durchschütteln lassen… Heute nun sind wir in Popayán, haben uns gestern schon geruhsam in der wunderschönen weiß getünchten Stadt umgesehen und fahren – nach einem eher ruhigen Tag in Popayán - heute Abend bereits nach Cali weiter, von wo wir morgen an die karibische Küste weiterfliegen… Puhhh.
Viel zu schnell denkt Ihr? Wohl wahr… Wir können es aber auch verstehen… Michael möchte halt mindestens eine Woche ans Meer und dann warten auf dem Rückweg nach Bogotá ja noch viele weitere spannende Stationen… Machen wir jetzt mal so! Für uns bedeutet das: Ein schneller Rundtrip durch Kolumbien zu dritt und anschließend dieselbe Route nochmal im slow travel-Modus… Dann müssen wir uns auch erstmal ausruhen… Nein, nicht von Michael, den möchten wir am liebsten hierbehalten!
Von nackten und bekleideten Körpern im XXL-Format – Bogotá
Wir sind natürlich erstmal in der Hauptstadt unterwegs. Abgestiegen in dem studentischen Viertel Calendaria – immer schön im Blick haltend, wo es gefährlich werden könnte und wo nicht – laufen wir zunächst allein, später geführt durch die teils hübschen Straßen des Stadtzentrums. In seinem Rücken nehmen wir stets den 3.152 m hohen Cerro de Monserrate wahr und die von ihm auf die Stadt hinunterblickende Kirche. Irgendwann werden wir ihn mit der Seilbahn erklimmen... Von überall aus sehen wir die Skyline der Stadt, die mit teils imposanten Hochhäusern in den entfernteren Stadtteilen aufwartet. Um es vorweg zu nehmen: Wir fühlen uns in Calendaria keine Minute bedroht, haben stets unsere Kamera dabei und genießen auch die vermeintlich gefährlicheren Gegenden tagsüber ohne Angst.
Erst sehen wir belebte, bunte und mit wunderbarer Streetart über und über bemalte Kolonialgebäude in den Gassen um unser Hostel herum – angeblich die ältesten Straßen in der Stadt –, anschließend beschauen wir imposante Kirchen, Plätze und zahlreiche Regierungsgebäude im quirligen Stadtzentrum. Das Viertel ist spannend und die Stadtkultur doch deutlich anders, als wir es aus Peru kennen. Wir sehen an fast jeder Ecke bewaffnete Polizisten mit scharfen Hunden, die das Viertel „sichern“, riechen gleichwohl an jeder Ecke den Duft von Marihuana (der Besitz zum persönlichen Verzehr ist in kleinen Mengen erlaubt) und Gott weiß was für Zeugs und sehen lässige Studenten in den Cafés und Bars sitzen. Musik ist allgegenwärtig. Straßenverkäufer bieten Schmuck und Kunsthandwerk feil, auf der Plaza Bolivar drehen Taubenschwärme ihre Runden, als wollten sie die gegenwärtige friedliche Atmosphäre symbolisch untermauern…
Die Menschen hier sind wahnsinnig kommunikativ. Während man in Peru – die Peruaner sind deutlich dezenter und zurückhaltender – viel erfragen und selbst sprachlich aktiv sein muss, fließt das Spanisch hier aus den Menschen quasi wie ein Wasserfall heraus… Wir fühlen uns manchmal regelrecht überfahren, müssen erstmal sortieren, was wir denn jetzt gehört haben und bitten mehrfach: „Tranquilo por favor…!“ Es quillt einfach raus aus den Menschen, die sehr viel extrovertierter scheinen, als wir das aus dem Andenhochland Perus gewöhnt waren… Häufig, so scheint es uns in den ersten Tagen, reden die Kolumbianer mehr, als dass sie zuhören… Mal sehen, was uns letztlich besser gefallen wird.
Das Wetter ist kolumbianisch: Es ist meist sonnig und dann hier oben im Hochland Bogotás sogar warm. Es regnet aber immer mal wieder in Strömen - aus bedrohlich dunklen Wolken… Gut, dass es chillige Cafés und die meist kostenlosen Museen der Stadt gibt. So landen wir jetzt im Museo Botero und staunen nicht schlecht über ordentlich Körperfülle… Natürlich ist Botero inzwischen bekannt und berühmt für seine wundervollen Skulpturen und Bilder massiger Leiber und Körper, die auch außerhalb Kolumbiens längst Aufmerksamkeit und Bewunderung erzielen. Dieses Museum hier ist eine Sensation: Unzählige, wundervolle und überraschend interessante wie imposante Kunstwerke Boteros sind ausgestellt – Skulpturen wie Bilder – und bringen uns das Werk des Künstlers näher. Wir konnten bisher nicht viel mit den massigen Leibern anfangen, sind am Ende des Tages aber angetan von den überbordenden Formen und bewusst überzeichneten Proportionen des kolumbianischen Alltagslebens. Was für ein Einstieg in die Kultur dieses Landes, durch die Brille Boteros…
Im studentischen Calendaria probieren wir uns durch die kolumbianische Küche, die ja nicht den allerbesten Ruf genießt. Wir testen unsere erste Bandeja Paisa (quasi das kreolische Nationalgericht, das mit viel Fleisch, Bohnen, Kochbananen und – in diesen Fall – wunderbaren Kapern bestückt ist), essen kolumbische Suppen und genießen ersten guten Kaffee aus dem hiesigen Hochland. Das beste in diesen ersten Tagen – neben der Tatsache, dass es auch in Kolumbien gutes Bier gibt: Die überbordende Vielfalt der tropischen Früchte und die daraus gezauberten unfassbar exotischen Säfte. Schon mal gehört: Lulada aus Lulo? Oder Salpicón Payanés aus Mora (Brombeeren) und Lulo?
Wir kommen darauf zurück...
Zu Fuß durch das satt grüne Bergland Huilas – Regen inklusive
Wir verweilen nur kurz, dann geht es in einem anstrengenden Ritt Richtung Süden. Uns erwartet eine grüne Hölle... Unser Ziel ist die feuchte und fruchtbare Gegend zwischen der Cordillera Central und der Cordillera Occidental (Kolumbien ist von Nord nach Süd durch drei Gebirgszüge durchzogen, die quasi parallel zueinander liegen), an genau dem Punkt, wo der imposante Rió Magdalena beide Gebirgsketten trennt. Hier strotzt die Natur vor wilder Pracht.
San Agustin heißt die kleine Stadt (30.000 Einwohner auf 1.700 m Höhe), die vor allem für ihr historisches Erbe weltberühmt ist. Hier finden sich die vielleicht imposantesten Steinfiguren und Idole Kolumbiens, meterhohe Statuen, die in der Region zu Hunderten von Archäologen aus dem Urwald herausgeschält und gesichert wurden. Sie sind um die 5.000 Jahre alt und ihre genaue Geschichte ist ungeklärt. Sie scheinen eine wichtige Rolle in Bestattungs- und Grabritualen gespielt zu haben und sind heute beeindruckende präkolumbische Zeugnisse, die in der fabelhaften Landschaft weit verteilt zu besichtigen sind. Dabei sind nur gut 30% des Areals tatsächlich freigelegt... Die ausgegrabenen Skulpturen lassen sich in einem archäologischen Park zu Hunderten, sonst in der Landschaft zu Fuß, zu Pferd oder mit dem Geländewagen auf teils ausgedehnten Touren in Einzelstücken erkunden. Unsere Entscheidung steht schnell fest: Wir verzichten auf den Park. Und natürlich wandern wir.
Vier Stunden werden uns bei dieser Wanderung angekündigt, am Ende laufen wir anstrengende, aber wunderbare 7 Stunden durch fantastisch grüne Hügellandschaften... Die Steinstatuen sind so unübersichtlich ausgeschildert, sie sind insgesamt in Bedeutung und Funktion so unklar, dass wir mit einem Guide laufen, von dem wir uns etwas Aufklärung und Orientierung versprechen: Ingrid aus Cali - sie lebt jetzt hier, weil sie Bäume statt Beton sehen will. Ingrid erweist sich als echter Volltreffer, denn wir laufen durch großartige Natur, erhalten einen hervorragenden Überblick über die hier wachsenden Früchte, die Tierwelt und die üppige Pflanzenpracht der Umgebung. Wir marschieren auf und ab, blicken in saftig grüne Bambuswälder, Kaffee- und Obstplantagen sowie auf tropisch feuchte Wiesen. Immer wieder kommen wir zu den archäologischen Arealen: El Tablón, La Chaquira und andere... Ingrid bringt uns die rätselhaften und Jahrtausende alten Steinskulpturen wenigstens ein wenig näher, so nah jedenfalls, wie es einige gängige Theorien eben zulassen...
Wenn wir pausieren, erproben wir bei den Bauern der Region für uns völlig unbekannte Fruchtsäfte. Im Mixer mit Eis gemischte Lulos, die wir hier auch überall wachsen sehen - eine unfassbar leckere, süß-saure Frucht, die im richtigen Mischungsverhältnis mit Eis fantastisch mundet. Oder die Tomato Arbol, eine der Tomate ähnelnde rote Frucht, deren süßes Fleisch sich wunderbar für Cocktails eigenen müßte... Einziger Nachteil: Wir erfahren, dass die Produktion der beiden Obstsorten leider nur unter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gelingt... Wir schlucken kurz und denken dann: Na ja, wenn man sie in Maßen zu sich nimmt...
Wir laufen mal wieder Hügelaufwärts, der nass-feuchte lehmige Boden klebt unter unseren Sohlen, es ist rutschig. Die Luft riecht intensiv nach Eukalyptus, wenig später nach einem hier wachsenden Gras... Wir saugen die warme und duftende Luft ein, schwitzen wie Berserker, denn die tropische Luft ist voller Wasser und wir sind diese Feuchtigkeit einfach nicht mehr gewohnt, nach den trockenen Hochlandtagen Perus. Dunkle Wolken ziehen immer wieder über uns hinweg. Irgendwann beginnt es tatsächlich kurz zu schauern, während wir in Regenjacken von Ingrid erfahren, wie es noch vor ein paar Jahren in der Region politisch ausgesehen hat.
"Bauern wurden unter vorgehaltenen Waffen einfach von ihrem Land vertrieben, Menschen mit Fähigkeiten, die den Rebellen dienlich waren, wurden zum Dienst im Dschungel gezwungen, gelegentlich einfach entführt. Allgemeines Mißtrauen, Gewalt und ständige Sorgen haben das Leben bestimmt. Gerade ist es gut, nie in den vergangenen Jahren war es so ruhig hier im Süden, wie jetzt. Wir können uns frei bewegen. Aber das Land steht erst vor der Lösung der wichtigsten Probleme. Die Gesellschaft ist gespalten in der Frage, was mit den früheren Terroristen passieren soll. Die einen wollen Amnestie, die anderen Bestrafung. Aktuell versorgt der Staat die ehemaligen Rebellen mit einem Einkommen aus Steuermitteln - das ist natürlich sehr umstritten. Sie leben zusammengezogen und entwaffnet in Lagern, sollen lernen wieder in der Gesellschaft zu leben. Wir müssen sehen, ob das gelingt, irgendwann werden sie auf eigenen Füßen stehen müssen..." Ob die Menschen für die Zukunft Hoffnung haben, frage ich. "Aktuell schon. Man wird sehen, wie es weiter geht. Nicht alles, was da gerade passiert geht in die richtige Richtung..."
Inwischen stehen wir vor einer üppig grünen Schlucht. Wir sind die Treppen zu einem Mirador hinuntergewandert, der uns einen Blick in die tiefe Spalte des Rió Magdalena eröffnet. Uns offenbart sich ein gewaltiger Fluss, dessen von reichhaltigen Mineralien fast schwarz gefärbtes Wasser sich tief in das Land gegraben hat. An den Hängen sehen wir immer wieder Wasserfälle. Der Fluss zieht sich von hier bis an die Karibikküste, wie wir erfahren, dort mündet er ins karibische Meer. Eine gewaltige Distanz!
Wir passieren nun ausgedehnte Felder mit Kaffeepflanzen. Ingrid läßt uns eine rote Frucht schälen und lutschen. Wir sind überrascht, die noch helle Kaffeebohne ist von einer glibbrigen weichen Haut überzogen, die sehr süß schmeckt... Ihre braune Färbung erhält sie ja erst durch den Röstvorgang... Immer wieder weist uns Ingrid auf diese oder jene Pflanze hin. Wir passieren wundervolle natürlich hier wachsende und garantiert nicht gezüchtete Orchideen und andere wundervoll blühende Pflanzen. Schmetterlinge und Kolibris fliegen um uns herum. Bei den Trompetenbäumen - zumindest würden wir sie als solche identifizieren - hält sie inne: "Diese Pflanze ist gefährlich!" sagt sie. "In der richtigen Weise zubereitet, wirken bestimmte Inhaltsstoffe der Blüte wie K.O.-Tropfen..." Sie berichtet, dass Menschen durch bloßes anpusten mit den Stoffen völlig wiederstands- und willenlos werden, bereits das Verteilen auf der Haut mit den Giftstoffen - einfache Berührungen reichen aus - kann diese Wirkung erzielen... Eigentlich könne man sich nicht schützen. "Früher hat man Menschen hier auf diese Weise ausgeraubt, entführt oder vergewaltigt. Man wird nicht ohnmächtig, sondern ist bei Bewußtsein. Man tut, was andere von einem wollen und hat keinen eigenen Willen mehr..."
'Trompetenbäume?' denke ich... Stehen die nicht auch vor unserer deutschen Haustür...?
Wir erwandern immer wieder Steinskulpturen und diskutieren die mögliche Bedeutung. Häufig sind sie Teil von Grabanlagen und scheinen auf die postmortale Transformation des Toten mit Götterfiguren hinzudeuten. Wir sehen anthropomorphe Gestalten mit monsterhaften Masken, koboldartige Wesen und tierische Formen, wie Eulen, Jaguare oder Krokodile...
Auf der einen Tag später gemachten Jeeptour zu den Stätten Alto de las Piedras, Alto de los Idolos oder La Pelota - es sind die weiter entfernt gelegenen archäologischen Stätten - werden in der tropischen Natur zudem viele Grabanlagen in ihrem Findungszustand ausgestellt. Neben den Figuren am imposantesten: Die wunderbaren Ausblicke in die grüne Landschaft, die jenseits des Rió Magdalena in der Zentralen Cordillera v.a. von Zuckerrohr oder wildem Dschungel bedeckt sind... Vorbei an imposanten Wasserfällen - Salto de Bordones oder Salto de Mortino - und der Flusspassage El Estrecho, an der der Magdalena-Fluss sich rauschend und wild durch eine nur etwas mehr als 2 Meter breite Engstelle hindurchzwingt, gelangen wir abschließend wieder nach San Agustin zurück. Hier genehmigen wir uns in der warmen, ach was sage ich, ich der extrem schwül-heißen Abendluft erst mal ein Bierchen und ein Steak... Churrasco vom Grill - vom Feinsten!
San Agustín ist ein wunderbares Kultur-Naturerlebnis, das man sich in Kolumbien nicht entgehen lassen sollte... Wir empfehlen sehr, die Region zu Fuß oder auf dem Rücken eines Pferdes zu erkunden. Nun ist Letzteres so gar nicht unsere Sache, aber das gemächliche Tempo der uns passierenden Pferde lädt ebenfalls dazu ein, den etwas intensiveren Blick auf die Umgebung zu erheischen... Es lohnt sich!
Popayán – die koloniale Perle des kolumbianischen Südens
Bereits einen Tag später machen wir uns im Minibus auf nach Popayán. Die weiß gehaltene Kolonialstadt gilt als eines der schönsten Beispiele kolonialer Prachtstädte Kolumbiens, mit gut erhaltenem Altstadtkern - trotz der Erdbeben, die hier immer wieder mal vorkommen - und weiteren Sehenswürdigkeiten in der Umgebung. Auf dem Weg von San Agustín dorthin müssen wir zunächst eine Tortur über uns ergehen lassen... Wir fahren gute 4 Stunden auf der wohl schlechtesten Straße, an die ich mich erinnere... In vorgebeugter Haltung - sonst schießt es mir sekündlich wie mit dem Messer in das Kreuz - suche ich mich irgendwie zu fixieren, während unser Fahrer erbarmungslos Gas gibt. Es regnet den gesamten Vormittag, Pfützen sammeln sich in Schlaglöchern wie Seen, immer wieder bremsen wir schlagartig ab, um ein tiefes Loch zu umfahren. Anfahren, bremsen, anfahren, bremsen... Schaukeln und juckeln dagegen, wenn man den Schlaglöchern nicht entgehen kann und man also minutenlang durch sie hindurchfahren muss... Sofern wir nicht durch beeindruckende Pfützen abgebremst werden, donnern wir im Höllentempo über unangenehme Rippenpiste dahin und ... wieder Schlaglöcher!
Sofern man draußen überhaupt etwas sehen kann - unsere Fenster sind beschlagen und nass, es regnet weiter in Strömen - sehen wir nur grüne Hölle... Jetzt halten wir kurz - mitten im Wald. Ich wische über die Scheibe und habe augenblicklich eine nasse Hand. Unser Fahrer übergibt aus dem Fenster eine Tüte an einen bewaffneten, uniformierten Soldaten, der wer weiß wo hergekommen ist und der unmittelbar wieder im Urwald verschwindet... Wir haben kurz Blickkontakt, fahren aber schon weiter. Ein regierungstreuer Armeesoldat oder ein Guerillakämpfer inkognito? Man weiß es nicht sicher... Die hochgelegene Straße hier, die durch ein wildes Naturschutzgebiet führt und fast undurchdringlich scheint, war vor kurzem noch ein gefürchteter Rückzugsort von Rebellen... Überfälle auf Busse und PKW waren an der Tagesordnung. Wir fahren nachdenklich weiter in die wolkenhaft graue Regenfront...
Als wir Popayán näherkommen, hellt es aber auf und die Sonne kommt heraus.
Auf jeden Fall ist es heiß... Wir geben zu, die heiße Luft mit der großen Feuchtigkeit macht uns zu schaffen. Haben wir das nicht früher geliebt? Wahrscheinlich müssen wir uns erst wieder daran gewöhnen. Also schmeißen wir uns nach einer Abkühlung in unserem hervorragenden Hotel direkt in das städtische Geschehen und schwitzen in Minutenschnelle erneut wie verrückt. Wir suchen eine Lavanderia - eine Wäscherei -, brauchen dringend Geld und suchen nach einem guten Restaurant... Wir finden: Das Café Mora Castilla, wo es zwar nur Snacks gibt, wo diese uns aber nachhaltig begeistern. Wir bestellen u.a. die in der Region so typischen Empanaditas de Pipián - kleinste Empanada-ähnliche Teigtäschchen mit Kartoffelcreme, die in Erdnußsoße getunkt, gegessen werden - sowie Tamales de Pipián - gedämpfter Maismehlteig mit sehr spezifischer, leicht geräuchert schmeckender Note - und sind hingerissen. Noch mehr jedoch begeistern uns die regionalen Erfrischungsgetränke - oder sagen wir es anders: Diese geeisten Fruchtcocktails hauen uns einfach um, so lecker sind die. Wir probieren alle drei Sorten: Ich nehme zunächst eine Lulada, eine mit Eis gemischte, grüne, fruchtig-saure und unwiederstehliche Saftmischung aus Lulos; Magda hat sich für einen Champus entschieden: Ein ebenfalls erfrischendes milchig ausschauendes Maisgetränk mit Lulo und Ananas; Michael hat ein Salpicón Payanés, ein mit Eis und Mora - Himbeeren und Brombeeren - gemischtes Fruchtgetränk gewählt. Alle drei exzellent!
Wir verzehren uns nach den Dingern und laufen anschließend erfrischt durch die Gassen. Popayán gefällt uns sehr, auch wenn Hitze und Straßenlärm uns nach den ruhigen Tagen in San Agustín weiterhin zu schaffen machen. Also nutzen wir ein Café hier, eines da und machen frühzeitig Station in unserem Hotel. Wir beschließen, dass wir hier nochmal herkommen werden - denn es gibt in der Umgebung außerdem interessante weitere Höhepunkte, die wir mit Michael jetzt nicht schaffen...
UPDATE PERU: Paolo darf nicht zur WM!
Wie ich heute betrübt lese, hat die FIFA Paolo Guerrero tatsächlich für ein komplettes Jahr gesperrt. Begründung: Nachweis einer Substanz zum Abbau von Kokain. Damit wird Paolo Guerrero - der Qualifikations- und Fußballheld Perus - den Rot-Weißen bei der WM 2018 fehlen...
Ein Jammer für Peru!
Empfehlungen
Zum jetzigen Zeitpunkt können wir mit gutem Gewissen nur die folgenden Empfehlungen geben... Da wir das meiste im Zuge unserer zweiten Tour erneut testen werden, möchten wir uns Vieles vorbehalten...
Ganz sicher zu empfehlen:
Unterkunft
Bogotá
- Cranky Croc Hostel, Calle 12 D, Nr. 3 - 46, Calendaria, Bogotá, Tel. (1) 3422438, http://www.crankycroc.com - Diese Backpackerunterkunft ist eine empfehlenswerte Adresse in Bogotá, weil sie gut gelegen und sicher im studentischen Calendaria situiert ist. Man trifft hier eine große Anzahl an anderen Reisenden und erhält Tourenangebote und Informationen. Es fehlte uns ein wenig Gemütlichkeit und Charme im Gemeinschaftsbereich, dafür sind das Frühstück und die Zimmer ganz gut...
San Agustin
- Wir waren in San Agustin gut 1 km außerhalb des Ortes in großzügigen aber rustikalen Unterkünften der Finca El Maco, Tel. 837 3847, www.elmaco.ch untergebracht, die einiges an Charme, wunderschönem Garten und Insekten im Angebot hatte... Neben Annehmlichkeiten wie Hängematten, Terrassen, Mosquitonetzen etc. mussten wir offene Bäder/WC's etc. in Kauf nehmen. Man befindet sich eben mitten in der Natur und diese ist hier Nachts präsent... Im Netz hat uns das nicht weiter tangiert! Es gibt ein angeschlossenes Restaurant, in dem wir ein ganz gutes Thai-Curry bekommen haben und auch sonst ist das Angebot gut. Vor allem das Frühstück ist überzeugend und lecker und die Preise sind O.K. Unseren Guide sowie unsere Jeeptour haben wir über das Hotel gebucht - und waren zufrieden. Ihr erreicht die Anlage, indem ihr Richtung Archäologischem Park aus der Stadt heraus lauft und beim Hotel Yalconia rechts abbiegt, weitere gut 500 m den Hügel herauf...
Popayán
- Richtig zufrieden waren wir im Hotel Los Balcones, Carrera 7, Nr. 2-75, Tel. 092 8242030, hotellosbalcones@emtel.net.co, hotellosbalcones@gmail.com, www.hotellosbalconespopayan.com. Das hervorragende Hotel liegt mitten in der City, hat großzügige und funktional ausgestattete Zimmer mit fantastischen Betten/Matrazen und ein gutes Frühstück. Man fühlt sich in den Räumen einfach wohl, auch wenn der Verkehrslärm in den zur Straße ausgerichteten Räumen enorm ist. Hier verweisen wir darauf, dass man in Südamerika nunmal Ohrenstöpsel braucht... Der freundliche Service und alles drumherum wiegen das allemal auf.
Speisen
Bogotá
In Bogotá haben wir hier gute Erfahrungen gemacht:
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Im Restaurante Rosita, Carrera 2 Nr. 1A-26, Bogotá,
restauranterosita.com, an der Plaza del Chorro de Quevedo gelegen, haben wir unsere ersten Erfahrungen mit der kolumbianischen Küche gemacht... Vor allem die Suppe ajiaco oder die Bandeja Paisa hier ist aufgrund der Kapernzulage sowie der netten Athmosphäre in einem der hippsten Viertel der Stadt wahnsinnig lecker... In freundlicher Umgebung und bei nettem Service kann man hier gut essen und aber auch einfach und zwanglos ein Bier trinken. Insgesamt gefällt uns die Gegend sehr!
- Wer gern einmal das einheimische Chicha - ein südamerikanisch-kolumbianisches, säuerlich-prickelndes "Biergetränk" - probieren möchte, der sollte sich in der Carrera 2 umschauen. Hier wird es in großen Schüsseln an die Runde ausgegeben und von Mund zu Mund weitergegeben...
Popayán
- Ein vorzügliches Churrasco-Steak mit wundervollen Soßen gab es im La Cosecha Parillada Centro, Calle 4 Nr. 7-79, Popayán, Tel. (2) 824 0602 – (2) 824 3799, http://www.lacosechaparrillada.com Überhaupt machte das Restaurant einen guten Eindruck, wenn es um gegrilltes Fleisch geht...
- Auf jeden Fall besuchen sollte man das von uns zweifach getestete Café Mora Castilla, Calle 2 Nr. 4 - 44, www.moracastilla.com . Neben den besten eisgekühlten Fruchtsäften der Welt (na ja, wenigstens Kolumbiens...) erhält man hier die typischen regionalen Spezialitäten wie Empanaditas oder Tamales a la Pipán... Die sind wirklich fantastisch und runden das exotische und tatsächlich aphrodisierende Fruchtcocktail-Erlebnis der Säfte Salpicón Payanés oder Lulada ab...
Allgemeines
Bogotá
In Bogotá sollte man nicht die kostenlosen Museen der Stadt versäumen, insbesondere nicht das Museum Botero.
San Agustín
In San Agustin sollte man dringend die Landschaft in einen Besuch der archäologischen Sehenswürdigkeiten mit einplanen... Wir waren sehr zufrieden mit der in unserem Hotel gebuchten Wanderung zu den umliegenden Steinskulpturen, auch weil wir mit unserem Guide Ingrid mehr als zufrieden waren... Die Landschaft ist atemberaubend und die archäologischen Höhepunkte sind für uns lediglich die i-Tüpfelchen auf die Wanderung gewesen...
Fahrt San Agustin - Popayán
Keine Ahnung, was da geht, aber wir empfehlen entweder eine andere Route als unsere - das war eine wirklich sehr schlechte Verbindung über nicht-asphaltierte Straßen - oder einen großen Bus, in dem der schlechte Weg besser abgefedert wird... Wir sind mit einem Minibus unterwegs gewesen, der für die Strecke definitv nicht ausgelegt war... Fragt einfach beim Ticketkauf nach und akzeptiert lieber einen Umweg...
Ausblick
Spuren | WECHSLER setzen ihren Zwischensprint fort und fliegen Richtung Karibikküste. Es erwartet sie eine der schönsten Karibikstädte Kolumbiens , die einen Hauch von Havanna, Kuba verspricht: Cartagena...
In der kolonialen Atmosphäre und dem tropischen Flair Cartagenas lassen sich unsere Helden durch die Altstadt treiben und unternehmen Abstecher zu den vorgelagerten Inseln und hiesigen Stränden, bevor es erneut in die bergigeren Regionen um San Gil und Barichara geht. Ziel sind der wundervolle Lago de Tota sowie die weitgehend unberührten Berglandschaften der Boyacá-Region. Eine gute Station für die Weihnachtstage?
Bleibt IN DER SPUR!
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Sylwia (Mittwoch, 01 März 2023 10:48)
Hallo,
Toller Bericht. Wo habt Ihr Ingrid aufgegabelt?
Antwort gern auch an sylwiabuch@web.de
Spurenwechsler (Donnerstag, 02 März 2023 15:37)
Hallo Sylwia,
danke für die Rückmeldung! Also Ingrid war tatsächlich ein Geschenk der Götter - aber etwas weniger pathetisch muss man sagen, dass wir Sie über unser Hotel empfohlen bekommen haben... Im Finca El Maco mal nach Ingrid fragen...? Lohnt sich sehr!
Ich schick's dir auch gern per Mail...
LG Spurenwechsler