Spurenwechsler und das süße Nichtstun - Arequipa und Lima

Blogbeitrag Nr. 15

 

Moin Moin aus Lima!

Ein Kreis schließt sich heute… Vor gut 5 Monaten haben wir von hier aus unseren ersten Blogbeitrag auf den Weg gebracht, eine lange und ereignisreiche Reise im Hochland Perus und Boliviens, fantastische Wochen und wundervolle Erfahrungen liegen schon hinter uns und vor uns wartet weiterhin … die Welt. Na ja, erstmal wartet „nur“ Kolumbien… Aber wen auch immer wir im Verlauf unserer Reise getroffen haben, der zuvor in Kolumbien war, schwärmte von dem Land in den höchsten Tönen. Also, auf nach Kolumbien – wir sind heiß wie Frittenfett!

 

Mit ein bisschen Wehmut und der Frage, ob es tatsächlich so großartig weitergehen wird im weiteren Verlauf unserer großen Tour, werden wir das wunderbare Reiseland Peru verlassen, wie wir zuvor schon Bolivien verlassen haben: Mit vielen Erkenntnissen, voller Freude und Zufriedenheit im Herzen. Leider gehört der Abschied – wie schon zu Beginn der Reise der Abschied von den Liebsten zu Hause – eben auch zum Reisen dazu. Es wäre keine Reise, wenn sie nicht irgendwann zu Ende wäre. Aber: Wir haben in beiden Ländern ausreichend spannende und vielversprechende Verheißungen ausgelassen, um ein gutes Argument zu haben, jederzeit wiederzukommen… Es wartet noch so Vieles darauf entdeckt zu werden. Schon an dieser Stelle: Danke und auf Wiedersehen Bolivien und Peru!

 

Aber wir können uns nicht gebührend verabschieden, wenn wir nicht noch gemeinsam auf die letzten Tage blicken. Wir haben sie ausschließlich in Arequipa und Lima verbracht und uns entschlossen alle weiteren Stationen auszulassen. Nicht aus Mangel an Respekt, sondern um den beiden größten Städten des Landes unsere volle Aufmerksamkeit zukommen zu lassen...

 

Folgt uns in die SPUR!

 

Die peruanische Flagge weht sanft im Wind vor Kathedrale und Vulkan Chachani, Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)
Die peruanische Flagge weht sanft im Wind vor Kathedrale und Vulkan Chachani, Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)

 

Arequipa – eine Stadt wie geschaffen für den Müßiggang

Wir geben es zu, wir waren in den letzten Tagen unserer Reise im Süden Perus ziemlich faul. Zentrales Argument und beste Entschuldigung für bedauernswerte Traveller: Wir wollten und mussten uns von den Trekkingstrapazen der vergangenen Wochen mal richtig erholen…

 

So haben wir es uns in unserem wunderbaren Hostel bei wirklich netten und fürsorglichen Menschen gemütlich gemacht, haben gelesen, geschrieben und unserer Seele in herrlichem Sonnenschein mal wieder ausgiebig freien Lauf gelassen. Während andere Touristen in Windeseile gekommen und gegangen sind, sind wir geblieben. Wir haben uns im gemächlichen Tempo in Arequipa eingegroovt. Wie sagte einst Mehmet Scholl zu einem deutschen Nationalspieler: Er habe Angst gehabt, dass dieser sich während des Spiels wund liege… Das ist nah dran!

 

‚Langweilig‘ denkt Ihr? Von wegen. Gerade das gibt einem ja die wunderbare Gelegenheit die Stadt, die Menschen aus dem OFF zu betrachten. Wir haben es genossen, Arequipa eine ganze Woche lang auf die Finger zu schauen – und: Es war wieder spannend, was man alles an Peru so jenseits der großen Sehenswürdigkeiten entdecken kann…

 

Überall in Arequipa unterwegs: Der VW-Käfer vor dem Complejo San Francisco, Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)
Überall in Arequipa unterwegs: Der VW-Käfer vor dem Complejo San Francisco, Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)
Im ältesten Viertel San Lazaro, Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)
Im ältesten Viertel San Lazaro, Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)
Vor unserer Lieblingspizzeria, Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)
Vor unserer Lieblingspizzeria, Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)
An der Mauer der Monasterio de Santa Catalina, Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)
An der Mauer der Monasterio de Santa Catalina, Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)

 

Ein Land im Rausch – Wie Fußball eine Nation um den Verstand bringt

Wer mich kennt, der weiß, dass ich ein ziemlicher Freund des Fußballs bin. Aber mal völlig losgelöst davon: Das Thema hätte hier auch nicht fehlen dürfen, wenn es mir die rhythmische Sportgymnastik angetan hätte… Denn das Land, die peruanische Nation war wie elektrisiert in diesen Tagen… Elektrisiert von einer Playoff-Relegation um die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland gegen den Fußballzwerg Neuseeland. Zuerst war das Land euphorisch, dann schockiert, empört und wütend, dadurch zunehmend vereint und zuletzt völlig aus dem Häuschen… Wir haben viel gelernt über Peru in diesen Tagen. Aber der Reihe nach:

 

Natürlich habe ich bereits das Finale der südamerikanischen Qualifikationsspiele verfolgt, in denen es Spitz auf Knopf stand für Argentinien, den mehrfachen Weltmeister und Messi den vielfachen Weltfußballer, für die in den vergangenen Jahren so starken Chilenen und natürlich die Peruaner, die sich in der allerdings auch mörderischen Südamerikaqualifikation ziemlich schwer getan haben. Immer wieder habe ich zuvor auch Spiele der Vereinsmannschaften auf dem Kontinent verfolgt und war erstaunt, einerseits von der Qualität, der Leidenschaft und dem Tempo der Spiele, andererseits davon, immer wieder ehemalige Spieler meiner großen Liebe - dem HSV - hier spielen zu sehen… So war auch Paolo Guerrero – heute weiß ich: DER Superstar der peruanischen Fußballnation – wieder in mein Blickfeld gerückt und ich war erstaunt, wie gut der noch ist… Paolo Guerrero? Genau der, der beim HSV mal einem Fan die Flasche an den Kopf … und so weiter. Aber er war, er ist auch ein fantastischer Stürmer!

 

Lange Rede: Es war genau dieser Paolo Guerrero der mit einem wirklich fulminanten Freistoß den ansonsten schwachen Peruanern einen schon kaum noch für möglich gehaltenen Punktgewinn im letzten Qualifikationsspiel sicherte und Peru damit die Chance ermöglichte, in einem Qualifikations-Playoff gegen Neuseeland noch die WM zu erreichen. Und das ist hier im Land nach 35 Jahren (!) Abstinenz von Weltmeisterschaften eine große, eine sehr große Sehnsucht…

 

Vieles, ja fast alles drehte sich dieser Tage um Fußball... Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)
Vieles, ja fast alles drehte sich dieser Tage um Fußball... Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)

 

Die Nation schrie sich die Kehle wund, als das Tor fiel, ich erinnere mich gut, Autokorsos nach dem Spiel, Jubelszenen überall im Land, die Nachrichten überschlugen sich. Am nächsten Tag – ach was sage ich: in den nächsten Tagen – waren die Zeitungen über und über voll von nationaltrunkenen Kommentaren, Bildern in Rot-Weiß-Rot und: Paolo Guerrero… Der Mann stieg an die Spitze der Beliebtheit auf, mit weitem Abstand, wurde geliebt, geküsst, vergöttert. Mit „unserem Paolo hat Neuseeland keine Chance“! Ich gebe zu: Ich habe mich gefreut für unseren Paolo

 

Noch während wir Tag für Tag Menschen in den typischen rotgestreiften Trikots – natürlich mit Guerrero-Aufdruck – durch die Straßen laufen sehen, schlägt hier die Nachricht ein, wie eine Bombe: „Guerrero gedopt! 30 Tage Spielsperre“. Trauben von Menschen stehen vor den Zeitungshäuschen, die nationalen Nachrichten berichten 24 Stunden davon, Schockzustand – eine Nation hält den Atem an. Es dauert nicht lang, eh eine nationale Welle der Empörung sich Bahn bricht: „Unserer Paolo? Gedopt? Nicht doch!“ Während auch Paolo Guerrero selbst und immer wieder auch seine geliebte Mama (!) seine Unschuld beteuern – „Kokain? Paolo niemals!“ – stellt sich ein Land, stellt sich eine Nation hinter den eigenen Helden. Vermutlich wäre das auch so geschehen, wenn ihm das zweifelsfrei bewiesen worden wäre… Es kommen einfach keine Zweifel auf, die Menschen sind überzeugt: Der ist unschuldig! Und in der Tat, wer weiß schon, was da wirklich los ist, Verschwörung, böse Geister, die FiFa…? Guerrero jedenfalls hat eine Haarprobe schon mal abgegeben… Das hatten wir doch auch schon mal in Deutschland? Bei Christoph Daum ging es ja nicht so toll aus…

 

Die peruanische Nation reagiert trotzig. Noch mehr Trikots auf den Straßen, noch mehr Unterstützung für Paolo. Dass er schuldig sein könnte, höre ich nicht ein einziges Mal. Frühere Weggefährten werden im TV interviewt, es laufen Berichte über Leben und Charakter des Profis, während sich Claudio Pizarro - noch ein Bundesligist - erfolglos selbst als Ersatz ins Spiel bringt... Beeindruckend. Die Playoffs sind in Peru längst nationale Angelegenheit. Nach dem Hinspiel (0:0 in Neuseeland) appelliert die Politik an den nationalen Geist, verspricht die Regierung einen spontanen Feiertag, sollte die Mannschaft das Spiel – aber wer hegt daran Zweifel? – zuhause gewinnen. Wir sind angesteckt. Am Spieltag hat hier in Arequipa jeder dritte ein Trikot am Leib, die Polizei patrouilliert nun geschlossen in Rot-Weiß-Rot, Fahnen werden verkauft, die TV-Sender berichten den gesamten Tag. Und Peru gewinnt!

 

Ein Land im Fußballfieber... sondor, Andahuaylas, Peru (Foto Jörg Schwarz)
Ein Land im Fußballfieber... sondor, Andahuaylas, Peru (Foto Jörg Schwarz)

 

Es ist ausgerechnet Jefferson Farfán – der ehemalige Schalker – der das erste und vorentscheidende Tor regelrecht in die Maschen hämmert. Alle Wut scheint sich hier Bahn zu brechen. Seine erste Reaktion: Er holt sich an der Bank ein Guerrero-Trikot - mit der 9 - ab und widmet sein Tor unserem Paolo. 'Weint der Typ etwa...?' Die Nation jedenfalls heult innerlich auf, schreit Frust und Freude hinaus und feiert den Treffer in einem nationalen Furor!

 

Interessant ist, was nach dem Spiel zu hören und lesen ist: Wohl jedes Mittel wäre der Nation für diesen Sieg recht gewesen… Vor allem vor dem Rückspiel ließen die Peruaner nichts unversucht: Die Fluglotsen in Lima verweigerten dem neuseeländischen Flieger den direkten Anflug auf ihr Land. Die Ozeaner waren also gezwungen nach einem planmäßigen Stopp in Buenos Aires noch im nordchilenischen Iquique zwischenzulanden, während in Peru die Schamanen bemüht wurden und derweil auf dem Mannschaftsfoto der Neuseeländer herumtrampelten. Als die Kiwis in Peru gelandet sind, setzte der Busfahrer der Neuseeländer doch glatt den Mannschaftsbus gegen die Stadioneinfahrt und auch wenn niemand verletzt wurde, ein Schreck blieb sicherlich zurück... Als am Abend vor dem Spiel vor dem Hotel des Gegners noch so viele Böller verschossen wurden, dass die Jetlag-geplagten Kiwis laut Trainer Hudson „schlechter schliefen als Vampire“, da war eine kleine Vorentscheidung schon gefallen…

 

Gut, dass Peru auch fussballerisch eindeutig das bessere Team gewesen ist - der Erfolg war verdient! Die WM kann also kommen?

 

Denkste! Heute, heute (!) am Tag der Veröffentlichung dieses Blogs, lese ich, dass die Teilnahme Perus an der WM schon wieder gefährdet ist... Ein bereits eingebrachter Gesetzentwurf sah vor, dass der peruanische Fußballverband (FPF) der Kontrolle durch ein staatliches Sportinstitut unterstellt werden soll. Das Sportblatt Libero sah dadurch Perus WM-Teilnahme gefährdet, weil der Weltverband FIFA es laut seiner Statuten nicht zulässt, dass staatliche Instanzen sich in die Belange nationaler Fußballverbände einmischen... Aber keine Bange: In Peru sorgte diese Nachricht dafür, dass der Gesetzesentwurf schneller wieder in der Schublade verschwand, als ich den Artikel lesen konnte... Peru ist dabei! - Hoffentlich mit Uns Paolo!

 

Die Eisjungfrau Juanita und das Menschenopfer bei den Inka

Während die Peruaner noch ihren verdienten Sieg feiern, lassen wir uns weiter durch die Straßen von Arequipa treiben… Wir finden endlich ein Café mit richtig gutem Kaffee und hervorragendem Zitronencremekuchen – nirgendwo in Peru haben wir besseren Kaffee oder Espresso genießen können. Ausserdem haben die echt gutes Eis... Wir entdecken zufällig ein fantastisches indisches Restaurant in dem ein „wahrhaftiger und echter Inder“ kocht und wissen jetzt, dass wir auf jeden Fall noch nach Asien werden reisen (müssen), denn diese scharfen Curries sind einfach zu lecker um sie auszulassen…

 

Wir geraten in eine freie Stadtführung, die uns noch ein paar weitere unbekannte Seiten der Stadt zeigt, stöbern in der Bibliothek Mario Vargas Llosa – der Literaturnobelpreisträger ist in Arequipa geboren – eine beeindruckende Fotoausstellung des Argentiniers Rodrigo Abd auf und sind von seinen großformatigen und ausdrucksstarken Portraits hingerissen. Während wir uns noch darüber wundern, dass ja bald Weihnachten ist – wir hätten das sicher noch geraume Zeit nicht auf dem Schirm gehabt, wenn nicht auf der Plaza schon der Weihnachtsbaum Arequipas aufgebaut worden wäre – stolpern wir mehr oder weniger in das zunächst äußerlich unscheinbare Museo Santuarios Andinos der Universität Catolica de Santa Maria. Es ist das Haus, der unter abenteuerlichen Umständen hier eingezogenen Juanita, der „Eisjungfrau vom Vulkan Ampato“. Richtig! Das wollten wir doch sehen.

 

Schon in Salta, Argentinien, war uns vor ein paar Jahren ein ähnliches Schicksal begegnet, hat uns ein Museum nachhaltig beeindruckt, in dem junge, von den Inkagesellschaften im Rahmen ritueller Handlungen geopferte Menschen, noch Kinder, zum Thema gemacht und „ausgestellt“ werden. Wir beschließen kurzerhand das Museum sofort zu besuchen. Leider können wir keine fotografischen Eindrücke davon geben - Strenges Fotoverbot!

 

Stimmt ja! Ist ja bald Weihnachten... Der noch unfertige Baum vor der im Sonnenuntergang leuchtenden Kathedrale, Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)
Stimmt ja! Ist ja bald Weihnachten... Der noch unfertige Baum vor der im Sonnenuntergang leuchtenden Kathedrale, Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)
Endlich ein Café in dem alles stimmt... Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)
Endlich ein Café in dem alles stimmt... Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)

Richtig starke Portraits des Argentiniers Rodrigo Abd in der Bibliothek Mario Vargas Llosa, Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)
Richtig starke Portraits des Argentiniers Rodrigo Abd in der Bibliothek Mario Vargas Llosa, Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)

 

Wir erfahren im Rahmen eines sehr eingängigen und spannenden Films zunächst mehr über das Museum, seinen Gegenstand und die Umstände der Expedition, in welcher Juanita von dem Vulkan Ampato (weit über 6.000 m Höhe, wobei das Grab auf oberhalb von 5.000 m lag) – hier ganz in der Nähe der Stadt – bis hierher nach Arequipa gebracht wurde. Es ist die faszinierende Geschichte der Entdeckung von eisigen Inkagräbern und in ihnen in der Kälte gut erhaltenen Menschenopfern und Grabbeigaben der Inka sowie die Entschlüsselung ihrer Bedeutung. Sie wurden allesamt auf den höchsten Vulkanen der Anden gefunden. So sind in den Jahren von 1989 bis 1996 neben Juanita - sie war allerdings die erste - weitere 17 (meist) Kinder-Körper in der unmittelbaren Nähe (u.a. auf den Vulkanen Misti und Pichu Pichu) und in anderen Ländern des früheren Inkareichs unter ähnlichen Umständen gefunden und geborgen worden.

 

Wir erfahren, dass ein einheimischer Bergführer auf dem Vulkan Ampato (fast 6.300 m hoch) auf oberhalb von 5.000 m zunächst Anzeichen menschlicher Spuren, auf Gräber der Inka verweisende Zeichen, entdeckte und den Wissenschaftler Dr. Johann Reinhard davon überzeugte, mit ihm eine Expedition auf den Vulkan ins Leben zu rufen. Unter schwierigen Bedingungen konnte eine Gruppe von Experten nahe dem Krater zwar tatsächlich die Reste von Inkagräbern entdecken und Grabbeigaben identifizieren, die wir im Museum zu Gesicht bekommen, einen Leichnam allerdings konnten sie zunächst nicht finden. Offenbar hatte der Vulkan durch seine Aktivität dafür gesorgt, dass Teile des Grabes und der im Eis konservierte Körper abgerutscht sind. Durch einige Experimente vor Ort – man versuchte durch das Abrollen von Steinen eine mögliche Position auszumachen – konnte am Ende, hunderte Meter weiter unterhalb, in einem Schneefeld, tatsächlich der Körper des ‚Juanita‘ getauften Leichnams entdeckt werden. Am Ende ein Zufallsfund, aber gleichwohl eine Sensation. Der bei Ausbruch des Vulkans offenbar starker Hitze ausgesetzte Körper, der Juanitas Gesicht leicht in Mitleidenschaft gezogen hatte, wurde von Reinhard und seinen Leuten zunächst nach Cabanaconde (Colca-Region) und "gekühlt" in tiefgefrorenem Gemüse der Einheimischen (!) nach Arequipa gebracht. Nach ausgiebigen medizinisch-wissenschaftlichen Untersuchungen ist der Körper – nun wieder tiefgefroren – im hiesigen Museum zu betrachten.

 

Wir laufen geführt durch das aus unserer Sicht viel zu dunkle Museum und erfahren mehr über das Ritual, seine Hintergründe und die Grabbeigaben. Die Inka, die hier und im gesamten Inkareich zahlreichen Vulkanen und anderen Naturgewalten ausgeliefert waren, haben die Götter, deren Sitz in diesen höchsten Höhen vermutet wurde, immer wieder durch rituelle Handlungen und Opfergaben zu besänftigen versucht. Offenbar wurden zu diesem Zweck auch Kinder des Reiches sowie wertvolle Beigaben geopfert. So scheint Juanita speziell ausgewählt und aus der Region um Cusco gekommen zu sein, ehe sie hier auf den Vulkan geschafft und in heiligen, rituellen und drogenlastigen Zeremonien zum Schlafen gebracht wurde. Durch einen gezielten Schlag auf die rechte Schläfe, die rechte Augenbrauenregion, wurde sie vermutlich im Schlaf getötet. Zuvor wurden in aufwändigen und schwierigen Wanderungen Opferbeigaben, Lebensmittel etc. auf den Ampato geschafft und das Grab angelegt. Die Strapazen des Aufstiegs und die Arbeiten auf dieser Höhe müssen enorm gewesen sein.

 

Am Ende sehen wir Juanita selbst. Sie sitzt, wie zuvor in ihrer Grabkammer, nun in einem Glaskasten. Sie wirkt in ihrer hockenden und kauernden Haltung unfassbar klein. Ihr Körper ist von einem regelrechten Eisblock umgeben und wir wundern uns etwas, ob das so im Sinne der Erhaltung richtig sein kann... Es scheint viel Feuchtigkeit in den Glaskörper eingedrungen zu sein, jedenfalls waren die Körper in Argentinien komplett ohne irgendeine Vereisung. Ihr Gesicht ist gut erhalten, scheint aber großer Hitze ausgesetzt gewesen zu sein – die Haut, insbesondere um Nase und Lippen, wirkt ausgetrocknet und angedunkelt. Ob der Vulkan oder die Sonneneinstrahlung dafür verantwortlich waren, ist unklar. Das Mädchen soll etwa 14 Jahre alt und 1,40 m groß gewesen sein. Dem Anlass entsprechend handelte es sich bei ihr um ein sehr schönes, gesundes und zuvor eigens für diesen "heiligen Zweck" ausgewähltes Kind, das während des Aufstiegs auf den Vulkan - nach Aussage der Wissenschaftler - im vollen Bewusstsein über seine spätere Opferung gewesen sein soll. Bei den Inka galt der „Kontakt mit den Göttern“ als eine große Ehre. Wer einen Eindruck von Juanita gewinnen möchte, der schaue kurz auf diesen Link.

 

Wie schon in Salta, Argentinien, geht uns das Schicksal der Kleinen an die Nieren. Aufgekratzt verlassen wir das Museum.

 

Unser Hostel in Arequipa: Marlon's House, Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)
Unser Hostel in Arequipa: Marlon's House, Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)
Arequipa wird uns fehlen... Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)
Arequipa wird uns fehlen... Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)

Plaza de Armas, Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)
Plaza de Armas, Arequipa, Peru (Foto Jörg Schwarz)

 

Wenn man die touristische SPUR mal verlässt...

Je intensiver man einsteigt in eine Stadt - wir haben insgesamt 14 Tage in Arequipa und unserem großartigen Hostel verbracht - desto weniger touristisch werden die Erfahrungen. Da erlebt man angenehme und weniger angenehme Dinge, erfährt schöne und weniger schöne Seiten über Menschen und Stadt, nimmt einfach auch den normalen Alltag mit. Und das ist auch gut so, gerade dieses langsame Reisen - slow travel - ermöglicht authentische Eindrücke und einen gänzlich anderen Zugang auf ein Reiseziel, wie wir in der vergangenen Woche wieder mal gemerkt haben. Auf manche Erfahrung hätten wir sicher gern verzichtet, andere sind uns lieb und teuer...

 

Da wird einem irgendwann deutlich, dass die halbe Stadt ein Problem mit Sandfliegen, kleinen blutsauegenden und extrem juckenden Nic Nic's hat... Auf den Straßen und Plätzen, den Innenhöfen und unserer Dachterrasse haben sie uns genauso traktiert, wie sogar gelegentlich in Cafés oder Museen... Wir wissen jetzt, warum die Menschen hier alle so zerstochene Beine haben... Und wir jetzt auch. 'Kleine Blutsauger' sind manchmal auch die Menschen hier... Nicht zum ersten Mal fällt uns auf, wie sehr man Regeln dehnen und beugen kann, wenn man nur einen Vorteil davon hat... So erklären einem die Kioskverkäuferinnen und Verkäufer bei jedem Bierflaschenkauf den Preis stets mit dem Hinweis, dass eben 1 oder 2 Soles auf die Flasche Pfand genommen werden und man das selbstverständlich zurückerhält, wenn man die Flasche zurückbringt. Wir kennen das Spielchen schon und zahlen den verhältnismäßig hohen Preis... Bringt man die Flaschen zurück, stellt sich der Verkäufer erstmal dumm... Eigentlich immer. 'Mal sehen, ob sich der Tourist daran erinnert, wenn ja, dann kann man das Pfand ja immer noch auszahlen...' Man sieht unserer hiesigen Kioskbesitzerin bei dieser Prozedur jedes Mal den Schmerz an, wenn wir darauf bestehen - und das tun wir! Sie windet und windet sich: 'Man bekomme das Pfand aber nur zurück, wenn man auch eine neue Flasche kaufe...' Damit haben wir erstmal kein Problem, wir kommen regelmäßig. Wir können auch akzeptieren, dass sie auf diesem Wege bei der letzten Flasche die Kohle einbehält... Das Spiel ist trotzdem nervig.

 

Neben diesen verzichtbaren Erfahrungen erfreut uns am Ende unseres Arequipa-Aufenthalts aber eine Sache sehr: Wir haben es in den vergangenen Tagen geschafft, die übliche professionelle Begegnung zwischen Hostelbesitzern und Reisenden zu durchbrechen und uns, ganz jenseits dieser geschäftlichen Beziehung, mit den Leuten hier angefreundet. Es hat gemenschelt zwischen uns, weil die hier auch einfach nett sind und offenbar gemerkt haben, dass auch wir eine eigene Geschichte im Gepäck haben... Wir hatten in Marlon's House in Puno schon Marlon - den Besitzer und Manager der drei Hostels in Puno, Cusco und Arequipa - selbt kennen und schätzen gelernt, ihn zufällig in Cusco wiedergetroffen und hier nun seine Mutter und Schwester täglich gesehen, die hier den Laden schmeißen. Natürlich kommt man auf längerer Strecke anders ins Gespräch und tauscht persönlichere Sachen aus... Heute haben wir eine Einladung zu ner Abschiedsfeier angenommen, die man uns zu Ehren - ziemlich exklusiv - veranstaltet hat. Es gab vorzügliches Alpaka- und Lammgeschmortes, wie wir es bisher noch nicht gegessen hatten... Danke nochmal dafür und für die schöne Zeit in Arequipa!

 

Für ein paar Anregungen zum Thema slow travel ruhig mal hier schauen...

 

Imposantes Idol einer präkolumbischen Gesellschaft - hält es einen Pisco Sour? Lima, Peru (Foto Jörg Schwarz)
Imposantes Idol einer präkolumbischen Gesellschaft - hält es einen Pisco Sour? Lima, Peru (Foto Jörg Schwarz)

 

Danke Peru! Das waren große Wochen und Monate!

Nach einem 17-Stunden Bus-Ritt nach Lima hängen wir zunächst ziemlich in den Seilen... Gut, dass wir noch drei Tage haben, um uns zu erholen - vor allem aber, um nochmal kulinarisch und kulturell voll in Lima einzusteigen... Wir müssen einfach nochmal in dieses klasse Meeresfrüchterestaurant in den Stadtteil Barranco. Unsere Sehnsucht nach diesen Muscheln treibt uns an.

 

Und wir müssen endlich das Museo Larco sehen, eines der fantastischsten Museen auf dem Kontinent, das wir bisher schmählich ausgelassen haben. Wir nehmen also ein Taxi und steigen vor dem Gebäude aus. Schon von außen ist es mehr als imposant. Ein Festival an Pflanzen und blühenden Blumen Perus flankiert das moderne Haus und empfängt uns in großartigen Farben. Wir sind auch innen sofort gefesselt... Präkolumbische Artefakte aus den bekannten alten Gesellschaften Perus, den Nazca, Huari oder Chimú. Herausragende Keramiken, Textilien oder Grabbeigaben und ein bedeutungsschwerer Hauch von Geschichte geleiten uns mehrere Stunden durch das hervorragend gestaltete Haus. Was für wundervolle Arbeiten, was für filigrane Kunst wir hier sehen. 'Keramiken?' dachte ich vorher kurz - 'nicht gerade unsere Leidenschaft!' Aber wir haben uns geirrt: Die Artefakte begeistern uns schwer und vermitteln uns nochmal das, was wir schon seit Monaten hier verspüren: Peru ist ein Land, in dem bedeutende Zivilisationen der Weltgeschichte ihren Weg gegangen sind, ein Land, das noch heute davon geprägt ist und das nicht zuletzt dadurch eines der spannendsten Ziele des Planeten ist. Im Larco kann man seine anthropologischen und kunsthistorischen Wurzeln sehen, wahrlich eindrucksvoll und zum Verständnis der  Geschichte des Landes gut nachgezeichnet. Wir sind froh, dass wir noch hier waren...

 

Peru (und Bolivien schließen wir hier 1:1 mit ein! Du hast uns viel geschenkt! Danke für fantastische Tage, herausragende Erlebnisse und auf Wiedersehen! Wir sind hier noch nicht fertig...

 

Keramiken langweilig? Wer sagt denn sowas? Erotische Kunst, Lima, Peru(Foto Jörg Schwarz)
Keramiken langweilig? Wer sagt denn sowas? Erotische Kunst, Lima, Peru(Foto Jörg Schwarz)
Grabbeigaben aus purem Gold, Lima, Peru (Foto Jörg Schwarz)
Grabbeigaben aus purem Gold, Lima, Peru (Foto Jörg Schwarz)

Rituelle Behältnisse, die auf dem Kopf stehend erst richtig schön sind... Aber sie fingen einst Menschenblut bei rituellen Opferungen auf! Lima, Peru (Foto Jörg Schwarz)
Rituelle Behältnisse, die auf dem Kopf stehend erst richtig schön sind... Aber sie fingen einst Menschenblut bei rituellen Opferungen auf! Lima, Peru (Foto Jörg Schwarz)

Empfehlungen

 

Arequipa

 

Unterkunft

Das Marlon's House hatten wir bereits wärmstens empfohlen... Ein besseres Hostel zu diesen Preisen muss man erstmal finden...

 

Speisen

  • Eine mehr als gute vegetarische Option, das Omphalos muss hier erneut erwähnt werden - großartig!
  • Wer Abwechslung braucht und authentische indische Küche schätzt: Im India, Calle Bolivar 502, Cercado, Tel. +51 958095318, indiancuisinearequipa@gmail.com kocht ein Inder, der es versteht exzellente Curries, Vindaloos oder andere indische Kostbarkeiten zuzubereiten...
  • Hervorragenden Kaffee (der espresso ist vorzüglich...) und gute Torten und Kuchen (der Zitronencremekuchen ist klasse!) findet Ihr im besten Café der Stadt: Capriccio, Calle San Francisco 135, Cercado, Tel. 054-221982

Allgemeines

  • Zu den Empfehlungen der Vergangenheit kommt hinzu das besuchenswerte Museo Santuarios Andinos UCSM, Calle La Merced 110, www.ucsm.edu.pe/servicios/museos/museosantuariosandinos - sowohl die Grabungsgeschichte als auch die Geschichte der Menschenopferungen der Inka sind wahnsinnig spannend, dazu ist es beeindruckend Juanita, die Eisjungfrau leibhaftig zu sehen... Ein Muss in Arequipa.

Lima

Unterkunft

Auch das Lighthouse ist hier schon gewürdigt worden und soll erneut empfohlen werden...

 

Speisen

Allgemeines

  • Es gibt viel zu sehen in Lima... Ein must-see ist definitiv das Museo Larco: Museo Arqueológico Rafael Larco Herrera, Av. Simón Bolivar 1515, Pueblo Libre 15084, Tel. (01) 4611312, http://www.museolarco.org/   - die Anthropologie und Geschichte der präkolumbischen Völker Perus, ihr Kunsthandwerk - insbesondere Keramiken, auch erotische Keramiken in einer Sonderausstellung, Textilien, Grabbeigaben - sind hier eindrucksvoll ausgestellt. Wir hätten nicht gedacht, dass uns das Museum so ansprechen würde, sind aber beeindruckt... Zur Information: Das Museum liegt weit außerhalb, wir empfehlen wegen der Entfernung ein Taxi! Interessant am Rande: Einige Stadtteile zu sehen, die einen guten Eindruck davon geben, wie die besser betuchte bürgerliche Stadtbevölkerung jenseits der touristischen Viertel wohnt...

Ausblick

 

Spuren | WECHSLER verabschieden sich schweren Herzens von Peru  und reisen in den Norden Südamerikas. Noch vor Jahren eines der gefürchtetsten Länder des Kontinents, ist Kolumbien heute - 1 Jahr nach dem Friedensprozess zwischen Regierung und den Farc-Rebellen - eine hoffentlich tropische Verheißung ohne Gewalt... Wir wollen das Abenteuer, aber es darf friedlich sein!

 

Ob es nun zuerst das karibische Meer, die Pazifikstrände oder die Kaffeeberge im Zentrum des Landes sind? Das koloniale Carthagena, das sagenumwogene Medellin oder die Salsametropole Cali ... steht in den Sternen! Der Schlachtplan wir erst in Bogotá gemacht, gemeinsam mit unserem Freund, der uns jetzt ein paar Wochen begleitet... Wir freuen uns schon sehr!

 

Was auch immer unsere Route sein wird: Folgt uns und bleibt weiter in der SPUR!

 

Schon vor den Inka gab es Menschenopfer satt... Die Verlierer ritueller Kämpfe wurden schlicht von den Bergen gestürzt... Museo Larcos, Lima, Peru (Foto Jörg Schwarz)
Schon vor den Inka gab es Menschenopfer satt... Die Verlierer ritueller Kämpfe wurden schlicht von den Bergen gestürzt... Museo Larcos, Lima, Peru (Foto Jörg Schwarz)


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