Beitrag Nr. 11
Moin Moin aus Cusco in Peru!
Wir sitzen auf chilligen Sofas im Gemeinschaftsbereich unseres Hostels in Cusco, trinken einen heißen Tee ... und frieren ein wenig. Es regnet draußen leicht und der Himmel ist voller Wolken. Fast scheint es, als habe uns unsere Glückssträhne in Sachen Wetter verlassen... Bisher drei Monate fast ausschließlich Sonne, seit wir vor drei Tagen nach Peru zurückgekehrt sind - wir haben La Paz und Bolivien in Richtung Cusco verlassen - ist das Wetter hier nicht so dolle. Und das, obwohl wir doch jetzt eine der Hauptattraktionen des Landes - Machu Picchu besuchen wollen... Tatsächlich verheißt der Wetterbericht auch kaum Besserung, so dass wir uns auf unangenheme und feuchte Tage in Cusco und Umgebung einstellen. Wenn hier die Sonne nicht scheint, dann ist es auch gleich ziemlich kühl. Eigentlich wollten wir das ja hinter uns lassen...
Aber so ist es nunmal, das kann man sich ja nicht aussuchen... Zur Not schwimme ich auch nach Machu Picchu! Bis dahin aber hoffen wir auf Besserung und erkunden Cusco, die Schöne, sowie deren Umland. Schon jetzt gefällt uns die Stadt herausragend. Sie wird in diesem Blog jedoch noch keinen Platz haben. Im Zentrum steht unser letztes Abenteuer in Bolivien: Sorata, die kleine koloniale Perle in traumhafter Andenlage in der Cordillera Real, in der wir uns wandertechnisch so richtig ausgetobt haben... Wer ausserdem auf die 'Straße des Todes' und Coroico am Rande der Yungas wartet, den müssen wir enttäuschen: Leider haben uns Fieber und eine Grippe für mehrere Tage in La Paz ans Bett gefesselt, so dass wir den Besuch dieser sicherlich interessanten Höhepunkte verschieben mussten...
Aber jetzt folgt uns IN DIE SPUR!
Das vergessene Kolonialstädchen in der Cordillera Real - Sorata
Manchmal wundert man sich als Reisender ja darüber, warum manche Orte total überlaufen und extrem gehypt sind. Andere - oftmals viel schönere Orte – sind dagegen fast unentdeckt und unberücksichtigt vom internationalen Massentourismus... Sorata, auf 2.721 m Höhe traumhaft in die westlichen Ausläufer der Cordillera Real integriert, gerade einmal dreieinhalb Stunden Fahrtzeit mit dem Colectivo von La Paz und gut eine Stunde vom Titicacasee entfernt, ist so ein vergessener Ort! Und dass, obwohl er vor vielen Jahren mal als das Trekking- und Wanderparadies Boliviens schlechthin galt und deutlich mehr Touristen anzog...
Was ist seither passiert? Politische Auseinandersetzungen um die Privatisierung von bolivianischen Ölreserven Anfang der 2000er Jahre, anhaltende Blockaden der Anfahrtstrecke von La Paz und ein fieser Brandanschlag auf ein großes US-amerikanisch geführtes Hotel (offenbar durch Einheimische in der irrigen Annahme, der US-amerikanische Betreiber hätte etwas mit den Öl-Privatisierungsplänen zu schaffen) - das komplett abgebrannt ist. All diese und andere Ereignisse haben den Tourismus in den vergangenen Jahren so gut wie zum Erliegen gebracht. Erst so langsam kommen die Reisenden zurück. Aber so zaghaft und in derart kleinen Mengen, dass Sorata gerade heute als Geheimtipp gelten kann und ein extrem lohnenswertes Ziel darstellt.
Schon als wir anreisen sind wir hingerissen: Wir fahren die gesamte Strecke in Richtung Titicacasee parallel zur Cordillera Real. Boliviens höchste Andengipfel, die mit ihren weißen, meist bei 6.000 m gelegenen Gipfeln majestätisch daherkommen, sind in dem klaren blauen Himmel schlicht beeindruckend. Kurz vor Sorata haben wir auf unserem höchsten zu überquerenden Pass sowohl den Cerro Illampu (6.368 m) als auch den Cerro Janq'u Uma (mit 6.425 dritthöchster Berg Boliviens) zum Greifen nahe. Unsere Abfahrt ins Tal ist anschließend atemberaubend, in irren Serpentinen haben wir Ausblicke, die in Bolivien bisher ihresgleichen suchten. Tausend und mehr Meter geht es zunächst wieder hinab ins vielzählig bewohnte Tal des Río Challa Suyu bevor wir erneut einen Bergrücken passieren und Sorata weit unter uns erscheint: Ein Traum von einer Tallage! Wir schauen auf Sorata, umringt von saftig-grünen Bergen, Wäldern und Feldern, wie wir sie in Bolivien und seinem Hochland bisher auch noch nicht kannten... Es gibt interessante Höhlen hier, einen schönen Fluss und weitere sehenswerte Ausflugsziele in die Umgebung. Als wir ankommen sind es sonnige 30 Grad Celsius – also auch klimatisch ganz nach unserem Geschmack…
Der kleine Ort ist wundervoll. An seiner zentralen Plaza, zu der man über lediglich einspurige, holprige und uralt erscheinende Kopfsteinpflastergassen kommt, ist das koloniale Ensemble noch vollständig – wenn auch bereits arg bröckelnd – erhalten. Kleine antiquiert wirkende Läden und Restaurants (in denen von bolivianischen Klassikern bis Pizza alles zu haben ist), indigene Straßenverkäuferinnen und eine palmenbestandene imposante Parkanlage bestimmen das schöne Zentrum. Die Stadt macht mit seinen beeindruckenden Palmen einen fast tropischen Eindruck. Es gibt eine Marktstraße an der man Früchte, Fleisch und Gemüse kaufen kann und einen Wochenendmarkt (Highlight Samstag!), an dem die indigenen Bauern aus den umliegenden Dörfern ihre frischen Waren fast handgezählt feilbieten. Einen schöneren und authentischeren Straßenmarkt haben wir bisher in ganz Südamerika noch nicht erlebt. Die Atmosphäre ist klasse: Klein, ruhig, unaufgeregt und extrem bescheiden geht das Leben hier seinen gemächlichen Gang. Wir sind begeistert und haben uns schnell verliebt.
Nach einer Nacht im besten innerstädtischen Hostel der Stadt ziehen wir nach unten - Richtung Fluss. Wir suchen nach einer ruhigen und gemütlichen Bleibe mit Blick in das Bergpanorama, in der wir uns auch entspannen und auch mal einen Tag in der Sonne/im Schatten ausspannen können. Wir haben die pralle Auswahl, gleich drei der besehenen Anlagen gefallen uns gut. Wir entscheiden aus dem Bauch heraus und liegen richtig! Bereits am ersten Abend kocht die bolivianische Inhaberin unseres neuen Heimes für uns und zwei weitere Deutsche ein fast deutsches Gericht: Es gibt neben einer guten Tomatencremesuppe, einen mit ordentlich Knofi bestückten Hammel (Mama – fast so gut wie deiner!) und einen alemannisch anmutenden Pfirsichkuchen… Fantastisch!
Wir sagen es ein letztes Mal: Wer in Bolivien ist, Berglandschaften mag und gern trekkt oder wandert (es sind von Halb- bis Mehrtagestrips zahlreiche interessante Touren im Angebot), dazu authentische kleine Kolonialstädchen mag und Ruhe genießt, der kommt nicht an Sorata vorbei. Es ist hier einfach traumhaft.
Wir jedenfalls haben ein paar Tage die Seele baumeln lassen und haben abwechselnd getrekkt und gechillt… Wir haben uns tatsächlich in das kleine Städtchen verliebt.
Wir trekken die ‚Krumme Nase‘ und die ‚Laguna Chillata‘
Bereits bei unserer Ankunft werden wir von einem Guide der Association de Guaias Touristicas angesprochen. Natürlich möchte er uns gern zu einer mehrtägigen Tour in die hiesige Bergwelt überreden… Ein bisschen ist er enttäuscht, denn die Gringos wollen höchstens Tagestouren. Dann versteht er und bietet uns zwei Touren, die wie für uns gemacht sind: Hoch hinaus, spektakulär, weit an den lokalen Giganten, den Illampu, heran, mindestens abwechslungsreich, aber nicht zu schwere Trekkingtouren. Er schlägt uns die moderate Wanderung ‚Krumme Nase‘ – nasa cara – zum Einstieg und eine alpine Trekkingtour zur Laguna Chillata als anspruchsvolle Hauptstrecke vor. Die mehrtägige Tour zur Laguna Glaciar wollen wir dieses Mal nicht – obwohl sie sicher großartig wäre…
Tour Nummer 1 beginnt etwas unprofessionell. Wir quälen uns frühmorgens aus dem Bett und sind um 8:00 Uhr an der verabredeten Stelle. Unser Guide wartet bereits und unser Taxifahrer kommt – mit einer ‚Mistkarre von Autotod‘ – kurzzeitig verspätet. So weit so gut. Noch während wir zu unserem Ausgangspunkt in den Bergen unterwegs sind – wir starten am spektakulären Mirador Illampu – bittet uns der Fahrer um einen kurzen Umweg: „Ihr habt doch sicher nichts dagegen, oder?“ Noch bevor wir überhaupt verstehen oder antworten können, sind wir bereits abgebogen: Unser Fahrer muss „Kühe umstellen und mit Wasser versorgen“… Aha!
Zugegeben, es geht schnell. Trotzdem ärgere ich mich über die Selbstverständlichkeit mit der der Typ das macht. Es ist unsere Zeit und es sind unsere Kosten… Noch bevor wir wieder starten, kocht an seinem Wagen nun das Wasser aus dem Kühler – wir hören schon die ganze Zeit das Perlen des heißen Wassers und fragen uns – was ist hier los? Das Problem scheint bekannt: Die Motorhaube auf, ein paar Liter Wasser rein, weiter geht’s. Von nun an halten wir mehrfach, greifen Wasser von kleinen Wasserläufen ab, öffnen die Motorhaube und füllen Wasser nach… Ich bin jetzt echt sauer, was für einen Fahrer wir hier gestellt bekommen haben… Der Typ aus dem Office hat das Billigste bestellt, was ging – der Gewinn ist seiner… Der Schaden unserer! Es ist ein Wunder, dass dieses Fahrzeug uns dennoch auf den Berg gebracht hat. Wir haken die Sache aber schnell ab und widmen uns der wundervollen Aussicht.
Und die ist atemberaubend und außerordentlich! Wir stehen auf gut 4.000 m Höhe und nur wenige Kilometer von einem der höchsten schneebedeckten Gipfel der bolivianischen Anden entfernt, die Sonne scheint, der Himmel ist strahlend blau. Unser Blick geht direkt auf den Illampu. Vor uns erstreckt sich zudem ein atemberaubender Abgrund. Obwohl landwirtschaftlich genutzt, geht es steil bergab. Über uns kreisen Greifvögel und warten – offenbar erfahrungsgemäß – auf ein Häppchen. Sie wischen ehrfurchteinflößend über unsere Köpfe hinweg und erhalten das begehrte Objekt: Brot… Die Vögel mehrere Meter zu unseren Füßen zu sehen, ist wunderbar.
Wenden wir unseren Blick nach hinten, sehen wir das tiefe Tal und Sorata. Hier verläuft unsere heutige gut vierstündige Etappe: Von 4.000 m auf die Höhe Soratas (2.721 m). Sie geht durch wunderbar abwechslungsreiches Terrain und fast ausschließlich abwärts. Wer jetzt denkt – na dann! –, dem sei gesagt: Das ist tatsächlich nicht olympisch, aber abwärts geht extrem auf die Gelenke… Wir laufen über feuchte, schwammartig mit Wasser vollgesogene Wiesen, in trockenen Flussbetten, auf felsigen Abschnitten oder sandigen Wegen, entlang von Pampasgras und durch kleine Wäldchen, passieren Büsche und Sträucher. Unser Guide zeigt uns (angeblich) schmackhafte Raupen, die im Dorf einen hervorragenden Preis erzielen würden sowie das spätere Schmetterlingsgeschöpf, das daraus hervorgeht. Er zeigt uns aus der Ferne sein Dorf. Wir passieren Schafherden und blühende Blumen und haben stets den Illampu im Rücken. Egal wie tief wir wandern: Der Berg ist immer imposant und lässt das Herz höher schlagen… Unsere Tour – Krumme Nase – hat tatsächlich genau das Profil einer Nase: Erst geht es angenehm und moderat hinab, dann wird es immer steiler… Sorata kommt in einem Höllentempo auf uns zu, weil wir zuletzt fast nur noch steil abkürzen. Nach vier Stunden sind wir glücklich im Ort und haben Hunger! Die Pizza schmeckt heute besonders gut, vor allem weil das kalte Bier ‚Kehle wie Seele‘ herrlich abkühlt…
Fazit des Tages: nasa cara ist eine hervorragende Wanderung jenseits des alpinen Geschehens und für Einsteiger hervorragend geeignet – oder eben für Menschen wie uns, die nicht immer an ihre Grenzen gehen wollen…
Tour Nummer 2 beginnt – zwei Tage später – (ebenfalls) etwas unprofessionell… Noch bevor wir dieses Mal überhaupt starten – es ist erneut früh morgens – streikt der Motor unseres diesmaligen Taxis gänzlich. Es scheint wohl der Keilriemen zu sein, der nicht recht greifen will… Der Motor kommt nicht auf Touren. Nach ein paar Handgriffen herbeigeeilter Soratenos aber kommen wir von Fleck. Ich frage mich, wie er den Berg hinaufkommen will, aber er schafft es… Da wir mit den billigen Karren nun schon Erfahrung haben und uns auf die Landschaft freuen, haken wir es auch dieses Mal schnell ab. Unser heutiges Ziel ist die Laguna Chillata auf etwas mehr als 4.200 m. Einsteigen werden wir auf gut 3.500 m.
So seicht und stets bergab unsere erste Tour, so heftig und steil geht es dieses Mal bergauf. Die andine Trekkingtour entlang felsiger Untergründe und karger, grasbüschelbestandener Wiesen fordert uns alles ab, lässt uns pusten, was das Zeug hält und keine Ahnung, wie viel Schweiß verlieren… Trotz mehrerer Pausen, in denen unser Guide fast mehr Interesse an uns und Deutschland hat, als wir augenblicklich – auch wegen unserer Atemlosigkeit – an Peru und ihm, sind wir froh und stolz das Ziel des Tages nach gut 3 Stunden erreicht zu haben: Die Laguna Chillata.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die kleine, angeblich 70 m tiefe, grün-leuchtende Lagune ist ein Augenschmaus. Eingerahmt von gletscherzerfurchten Stein- und Felsarealen, zu Füßen steil aufragender Gipfel und dem schneebedeckten Illampu, strahlt sie eine wundervolle Stille und magische Atmosphäre aus. Wir rasten und genießen das leuchtende Grün in der Sonne, erwärmen uns in einer windstillen Felsennische und nehmen ein paar Happen zu uns. Ich könnte stundenlang hier verweilen, aber irgendwann mahnt unser Guide zur Umkehr.
Zurück geht es entlang der östlichen Flanke des Berges, wir passieren auch hier felsenbestandene Punalandschaften, ehemals bestellte, jetzt verlassen wirkende Felder der Bauern und ehemalige Minenareale. Die (vermutlich weitgehend) renaturierte Fläche, vor der wir jetzt stehen, war eine ‚mina de oro‘: Eine Goldmine. Die Gegend hier ist voller Minenanlagen. Vor allem auf der anderen Seite der Cordillera Real spricht man vom ‚camino de oro‘, der Goldstraße... Das Glück Boliviens hier: Sie sind selten unterirdisch, weil das Edelmetall quasi auf der Erdoberfläche aufliegt und leicht abgeschöpft werden kann… Mehrfach während unserer Wanderung sind wir an Arealen vorbeigetrekkt, die metallisch-golden aussahen – vermutlich aber wohl nur Rost, oder…? Wie auch immer: Auf der Höhe von gut 3.500 m werden wir wieder abgeholt. Wir haben auch den heutigen Tag bravourös bewältigt…
Fazit des Tages: Auch heute sind wir restlos glücklich. Die Tour, die immerhin 5 Stunden Zeit in Anspruch genommen hat, können wir uneingeschränkt empfehlen. Sie ist anstrengend, aber machbar, und findet zudem in wirklich atemberaubender Natur statt. Wollte man mehr Herausforderung, könnte man im Rahmen einer gut 8-stündigen Tour wohl auch noch die weiter oberhalb und östlicher gelegene Laguna Glaciar trekken und die Laguna Chillata zwischendurch besuchen… Auch mehrtägige Trips zu diesen Zielen sind denkbar. Macht es, Leute, es lohnt sich!
Erstens kommt es anders und zweitens als man plant
Nach weiteren chilligen Tagen in Sorata sind wir zurück in La Paz. Hier schmieden wir die letzten Pläne für Bolivien… Ein Aufenthalt in Coroico, im zerklüfteten Grenzgebiet zwischen der östlichen Cordillera Real und der Region Yungas, bergige Ausläufer des Amazonas, auf nur noch 1.800 m gelegen und daher tropisch heiß und grün, soll es sein. Wir haben noch etwa 5 – 7 Tage, die wir gern in der feuchten Wärme verbringen wollen. Auf dem Weg dorthin soll eine Mountainbiketour entlang der einst gefährlichsten Straße der Welt – sinniger Weise The Death-Road genannt - für Nervenkitzel sorgen… Wahnsinns-Programm! Aber dieser Traum platzt!
Zuerst ist Magda zwei Tage krank, dann erwischt es mich noch schlimmer. Nach mehreren Tagen im Bett des Hotels – Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen von Feinsten, Appetitlosigkeit und allgemeine Schwäche – entscheiden wir uns, unsere Tickets verfallen zu lassen und uns die Reise zu sparen. Ein Jammer zwar, aber so ist das Leben…! Als wir La Paz verlassen weint unsere Seele und scheint auch der Himmel über uns zu weinen: Es regnet erstmals so richtig über der Stadt und der Regen begleitet uns bis nach Peru. Wasser vom Himmel – wir kannten das kaum noch…
Ein Gutes hat das Ganze bei all der Wehmut aber schon: Wir haben einen guten Grund noch einmal wiederzukommen! Ohnehin sind wir mit Bolivien noch so gar nicht fertig. Wir mögen das Land unheimlich gern, seine Dörfer und Städte, seine Natur und seine Kulturen sowie seine freundlichen Menschen. Danke Bolivien, für dieses Mal soll es das gewesen sein… Wir reisen über Copacabana am Titicacasee zurück nach Peru… Auch in Puno: Regen! Hoffentlich ist das kein schlechtes Omen!
Abschließendes - für dieses Mal - zu Bolivien
Mittlerweile wissen wir, warum in Peru und Bolivien so viele Häuser unfertig oder halbfertig sind. Wir hatten schon am ästhetischen Verständnis der Südamerikaner gezweifelt und die dadurch oft hässlichen Neubauten in den moderneren Städten kritisiert…
- Natürlich ist ein Grund darin zu sehen, dass aufgrund der schwierigen Finanzierung nur Stück für Stück gebaut wird. Hat man wieder etwas Geld, kann die nächste Mauer gebaut, das nächste Fenster eingesetzt werden – ein Teil der Häuser ist also tatsächlich noch unfertig. Doch die wohl weit meisten Häuser sind eigentlich sehr wohl fertig! Sie werden aber ganz bewusst unverputzt gelassen, man lässt Metallgestänge und Rohre offen an der Mauer stehen oder setzt auf dem Flachdach einfach eine neue Steinreihe an… Und zwar gerade damit der Eindruck entsteht, man sei noch nicht fertig mit dem Haus… Grund: Es existiert ein Gesetz, wonach erst das fertige Haus versteuert werden muss! Ergo: Die meisten Hausbesitzer zahlen keine Steuern auf das Haus, wenn es wie unfertig aussieht… Hässlichkeit also ist der Preis für Steuerflucht.
- Ein interessantes, wenn auch aus unserer Sicht nicht unbedingt positives Exempel, sind in Bolivien übrigens die Gefängnisse – einige Gefängnisse. Mit der Seilbahn sind wir zuletzt über eines dieser berüchtigten Areale hinweggefahren. Besuchen – so wie früher einmal – kann man sie heute als Tourist - völlig zurecht - nicht mehr. Was ist an ihnen so besonders? Es sind Gefängnisse, die im Grunde umzäunte/ummauerte Stadtteile sind und in denen die Insassen völlig sich selbst überlassen bleiben. Der Staat zieht sich weitgehend aus ihnen zurück, die Insassen organisieren ihr Leben dort – quasi als Parallelgesellschaft – nahezu autark. Sie handeln zwar mit der Außenwelt, haben Kontakte – Zugang zu ihr haben sie aber nicht. Mörder und Schwerverbrecher, Vergewaltiger und Hehler finden sich so neben Dieben und Kapitalverbrechern, Gelegenheitsräubern und Drogenköchen. Auch der ein oder andere Tourist sitzt hier ein… Innerhalb der Mauern – die vermutlich ein Spiegelbild der Gesellschaft außerhalb sind – muss sich der Einzelne einen Platz in dieser ‚Gesellschaft‘ neu ‚erarbeiten‘, in denen die einen Oben und die anderen Unten sind… Ein Existenzkampf für einige, ein Paradies für andere – denn die Ausgangsbedingungen könnten unterschiedlicher nicht sein. Während die einen reich und von außen gut versorgt, in üppig ausgestatteten Häusern und in Netzwerken und Banden organisiert, machtvoll ihr Dasein fristen, vegetieren andere mehr dahin und suchen ausschließlich zu überleben. Sie haben – bestenfalls – ‚Arbeit‘ als Bote für Informationen und Waren, führen Besucher innerhalb der Stadt oder gehen einer früheren handwerklichen Beschäftigung nach – sofern im Knast dafür eine Nachfrage besteht… Ein eigener Kosmos in dem sich der Einzelne durchbeißen muss… Ich höre schon die Schlaumeier in Deutschland parlieren: ‚Das ist richtig, das brauchen wir auch! Unsere Justiz ist eine Kuscheljustiz…‘ Die AfD hätte sicher ihren Spaß! Wie sich das Ganze allerdings mit der Idee der Resozialisierung verträgt? Ich meine: Gar nicht! Schon deshalb ist dieser Praxis nur wenig abzugewinnen!
- Seit wir vor drei Monaten und mehr in Peru und nun auch in Bolivien auf den Straßen unterwegs sind,
begegnet uns auf dem Land wie in der Stadt etwas, was wir aus Deutschland so nicht kennen: ‚Politik und Wahlen‘ allenthalben… Nahezu jede zweite zur
Überlandstraße gerichtete Häuserwand in der gesamten Nation, fast jede freie Mauer und jeder freie Fleck, ja selbst Flächen auf Felsen entlang der Straßen werden für Wahlwerbung genutzt. So
fahren wir während der unzähligen Kilometer Strecke an ebenso vielen früheren Wahlkampfparolen wie -bekenntnissen vorbei – bspw. ‚EVO Si‘ (eine Kampagne in Bolivien zugunsten des heutigen Präsidenten Evo Morales oder auch gänzlich ohne Namen aber mit Bezug: ‚
SiNo‘ gegen ihn…) –, die mit Pinsel und Farbe auf Mauerwerk aufgetragen wurden und immerzu werden. Interessant daran: Werbung ist hier vielfach zugleich ein Bekenntnis: Einzelne Dörfer oder Statdtbezirke bekennen sich mit gut sichtbar platzierten Botschaften mehr oder weniger geschlossen zu ihrer Kandidatin oder ihrem Kandidaten… Wir hören tatsächlich häufiger, dass gerade auf den Dörfern der armen Landbevölkerung viele Stimmen – offenbar ganzer pueblos – gekauft werden. Wenn man durchs Land fährt, erkennt man also auch ziemlich gut, wer der Favorit eines Dorfes ist, wer hier gewählt werden wird… Im bolivianischen Hochland – insbesondere in Gebieten der Aymara-Bevölkerung – sieht man tatsächlich fast überall das ‚Si-Bekenntnis‘ zu Evo Morales – er gehört zur Bevölkerungsgruppe der Aymara… Wie auch immer: In Peru und Bolivien entgeht man dieser vergangenen – aber auch zukünftigen – Wahlwerbung nirgendwo! Sie ist auf der Straße stets präsent, wenn wir durch die Gegend fahren, sie verfolgt uns am Rande jedes Weges, den wir nehmen – auch Jahre nach längst vergangenen und vergessenen Wahlen… Wir denken: Macht in Bolivien aber ja vielleicht auch Sinn: Evo Morales schließlich strebt gerade gegen die eigene Verfassung – gegen die er aktuell klagt – eine weitere Amtszeit an. So muss man nicht ständig alles neu beschmieren… ‚Si‘!
Externer Reisebericht zu Italien
Wir freuen uns, auch in diesem Blog wieder zusätzlich eine externe Reise | REPORTAGE präsentieren zu können:
Es geht um eine Reise in den Süden Italiens: Amalfiküste, Pompeji, Herculaneum und ganz viel Strand… Darius Behrouzi berichtet von seiner gerade beendeten Reise mit seiner Familie und ergründet darin unter anderem das italienische Wesen auf der Straße…
Hier findet Ihr die lesenswerte aktuelle Reisereportage:
Empfehlungen
Sorata
Sorata ist ein klitzekleines, wunderbar unprätenziöses und ruhiges Kolonialstädchen, in dem die Zeit stillzustehen scheint und man dennoch hervorragende Annehmlichkeiten vorfindet. Eine gute Auswahl an Unterkünften und Restaurants in einer atemberaubend schönen Tallage, umringt von saftig-grünen Bergen und den schneeweißen Gipfeln der westlichen Cordillera Real sollten Grund genug sein, um hier ein paar wundervolle Tage zu verbringen. Gerade jetzt ist Sorata ein verheißungs-volles Versprechen, denn nicht viele kommen hierher. Warum nur?
Vor allem Wanderer, Trekker und Kletterer kommen hier voll auf ihre Kosten, es gibt von halbtägigen Wanderungen bis zu mehrtägigen Trekkingtouren alles, was das Herz begehrt. Von Sorata aus kann man in Mehrtagestrips bis nach La Paz entlang der Cordillera Real trekken – wenn man denn will… Und Leute: Ihr seid dabei fast allein…!
Unterkunft: Wir haben in der Stadt eine Nacht in dem sehr guten Hostal Panchita, Plaza de Sorata, Tel. +591 77255255 gewohnt. Von den hiesigen Hostels ist es sicher eines der besten und wer den Anschluss an die Stadt sucht oder nur kurz verweilen will, ist hier richtig. Die Zimmer sind einfach aber hervorragend ausgestattet, funktional und das Frühstück ist hervorragend: Es gibt neben selbstgemachter, und auch so schmeckender Marmelade frische und selbstgebackene Brötchen sowie guten Kaffee. Das Hostel liegt direkt an der Plaza und ist nicht zu verfehlen…
Für etwas mehr Ruhe und Abstand zur staubigen Stadt empfehlen wir das Hostel Las Piedras, Villa Elisa Calle 2, Tel. +591 71916341 das ehemals von einer Deutschen geführt und wohl auch errichtet wurde. Heute wird es von einer jungen bolivianischen Familie gemanaged. Vor allem die Dame des Hauses ist wirklich freundlich, kompetent und professionell, während der Hausherr wohl noch seine Rolle sucht... Das Haus hat einen sehr schönen Gemeinschaftsbereich, einen Balkon zur Südseite mit fantastischem Blick in die Bergwelt und eine kleine Terrasse vor dem Haus, auf der es tagsüber wunderbar schattig und ruhig ist. Die Zimmer sind einfach, aber großzügig und hell. Vor allem die Betten sind klasse. Leider haben Freundlichkeit und Service am Ende unseres Aufenthalts – wir waren ja fast eine Woche hier – etwas nachgelassen… So standen wir einmal vor verschlossener Tür, weil die Besitzer mal eben unangekündigt entschieden haben, mit Freunden auszugehen (warum reicht man keine Schlüssel aus oder informiert vorab?) und mussten wir auf unser Frühstück zuletzt ewig warten... Ein bisschen hatten wir das Gefühl, dass die Familie jetzt auch mal Zeit für sich haben wollte (was ja grundsätzlich verständlich ist, aber in dieser Branche nicht ‚mit Füßen‘ kommuniziert werden sollte). Gleichwohl würden wir hier wieder hingehen! Eine insgesamt gute Wahl.
Speisen: Wir haben entweder im Hostel (nach Absprache kocht die Hausherrin im Las Piedras selbst sehr gut!) oder in lokalen Restaurants – fast alle an der Plaza – gegessen. Am besten gefallen hat uns das an das Hostal Panchita angrenzende und angeschlossene Restaurant gefallen, dessen namen wir nicht parat haben. Neben einer großen Auswahl an bolivianischen und internationalen Gerichten ist auch die Pizza echt O.K. Spitzenküche findet man in Sorata jetzt aber auch nicht unbedingt…
La Paz
Unterkunft: Hotel TerrAndes, Av. Illampu 740, La Paz Zona 9, Tel. +591 2 2004709: Wir waren inzwischen zweimal hier und hatten es bisher nicht empfohlen. Wir tun es auch jetzt nicht! Nachdem das Hotel zunächst mit Dumpingpreisen Gäste angelockt hat, zieht es nun seine Preise Monat für Monat an: So wären zuletzt fast die doppelten Kosten zu entrichten gewesen für dasselbe Angebot. Grundsätzlich ist das TerrAndes ein Business-Hotel mit gutem Raumstandard und freundlichem Service. Obwohl das Hotel zuletzt die zuvor beklagten chaotischen Zustände beim Frühstück (wer hier zuvor in der letzten Stunde der offiziellen Frühstückszeit kam, bekam: gar nichts mehr…) einigermaßen in den Griff bekommen hat – das ist jetzt O.K. – hatten wir zuletzt erhebliche Schwierigkeiten mit dem immerzu schwankenden WLAN. Während andere Reisende das in den sozialen Netzwerken bereits zuvor arg kritisiert hatten, litten wir selbst erst zuletzt unter diesem Phänomen. Größtes Problem: Das Haus ist extrem hellhörig... Das ist für ein Hotel mit den jetzt zu leistenden Preisen nicht akzeptabel: Daher unsere Empfehlung: Bei unangemessenen Preisen, einfach meiden!
Aufgrund einer mehrtägigen Erkrankung sind wir ja länger in La Paz geblieben und wollten die Gegend beibehalten. Wir sind daher spontan nebenan ins Hotel Las Brisas, Illampu, Nr. 742, Tel.: +591 2 2463691, www.lasbrisas-hotel.com eingezogen, das wir auch tatsächlich gut fanden. Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt! Die Zimmer zur Straße sind zwar laut (Straßenlärm einer Großstadt) aber hell. Mit Ohrenstöpseln ist das kein Problem. Andere Zimmer scheinen dunkel, aber ruhig! Der Standard der leicht abgewohnten Räume ist echt gut, das WLAN auch. Der Service ist gut! Das Frühstück ist so lala, dafür bietet das Hotel ein gutes Restaurant, in dem wir mehrfach gutes Almuerzo/Mittagsmenü genossen. Da wir krankheitsbedingt auf das Hotel angewiesen waren, können wir es auch mit gutem Gewissen empfehlen: Gute Lage, guter Standard, guter Preis! Ein paar Tage hält man hier aus!
Update Restaurants:
Wir haben den besten Kaffee in La Paz im Café Berna, Calle Linares Nr. 947, +591 70694239 – geführt von einem Schweizer – bekommen und dazu hier den besten Zitronenkuchen der Stadt gegessen… Freilich gibt es den allerbesten Zitronenkuchen nach wie vor in Krakau, Polen! Das kleine Café Berna ist dennoch wirklich zu empfehlen, es liegt in einem von mehreren Agenturen, Cafés und einem Hostel genutzten Haus im Innenhof. Es eignet sich also auch an unwirtlichen Tagen…
Wer auf bolivianische Originale und Fleisch steht, der sollte unbedingt das bolivianische Restaurant Alaya, Calle Cochabamba 100, Tel. +591 2311881 versuchen. Nirgendwo in der Hauptstadt (im ganzen Land?) haben wir qualitativ besseres Rindfleisch bekommen! Das ‚Lomo Argentino‘ war ausserdem quantitativ kaum zu schaffen und mit allen Beilagen und der etwas bolivianisch angehauchten Chimichurri-Soße großartig! Wir verdanken es einer Empfehlung eines Paceñas und können es wärmstens weiterempfehlen.
Ausblick
Spuren | WECHSLER sind zurück in Peru!
Über Puno streben die Spuren | WECHSLER direkt nach Cusco und zur größten Touristenattraktion der Welt: Machu Picchu! Die meistbesuchte und sicher atemberaubende Inka-Schönheit oberhalb des Rio Urubamba soll die Herzen unserer Helden höherschlagen lassen. Aber: Spielt das Wetter außerhalb der Hauptsaison mit?
Welche Attraktionen warten zudem in der schönsten Stadt Perus, in Cusco, der Inka-Stadt aller Inka-Städte, mitten im Herzen dieser südamerikanischen Kultur? Wir verraten nur so viel: Es wird etwas zur Kunst- und Kulturgeschichte dieser Stadt aber auch endlich etwas Substanzielles zur peruanischen Küche und ihrem heißen Versprechen – dem Pisco Sour - geben… Schon heute läuft uns das Wasser – perdon: der Pisco! – im Munde zusammen… Prost!
Bleibt unserer SPUR treu!
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